Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
leichte Brise, die in ein paar Blättern des Baumes raschelte, unter dem der Mann schlief.
Eine Samenkapsel löste sich von einem ansonsten völlig kahlen Ast. Möglicherweise war es der letzte Same des Baumes. Er wurde vom Wind ergriffen und segelte langsam erdwärts, bis er sich auf der Wange des Schlafenden niederließ.
Sofort war der Mann wach, auf den Beinen und kämpfte um sein Leben.
»Junge!«
Nico erwachte ruckartig und rang nach Luft.
Asch schüttelte ihn leicht und hielt ihm einen Becher mit dampfendem Chee entgegen. Nico blinzelte ihn benommen an. Für einige Sekunden war er nicht in der Lage, sich zu bewegen, dann setzte er sich unter großen Mühen auf.
Er drehte den Kopf und sah sich um. Sie befanden sich anscheinend in einem weiteren tiefen Tal.
»Ganz ruhig, Junge«, sagte der alte Farlander und schloss Nicos Finger um den Becher. Heute Morgen lag eine gewisse Wildheit in seinem Blick.
»Sind wir schon da?«, fragte Nico.
»Fast. Wie fühlst du dich?«
Ein Ächzen war Nicos Antwort. Er fühlte sich ausgesprochen
verletzlich, und ein dumpfer Schmerz pochte hinter seinen Augen. Seine Kleidung war zerrissen und mit Schmutz und Blättern übersät. Asch sah nicht besser aus; seine Robe hing in Fetzen an ihm herab, sein Gesicht war dreckig und zeigte den stoppeligen Beginn eines grauen Bartes. »Wie lange …?«, setzte Nico an und wusste nicht, wie er den Rest seiner Frage ausdrücken sollte.
»Fünf Tage, glaube ich … vielleicht auch mehr. Du hast dich gut geschlagen. Du hast es überstanden.«
Nico nippte an dem heißen Chee und schmeckte ihn kaum. Er musste sich unbedingt die Zähne putzen. Nun, da er sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, betrachtete er seine Umgebung genauer. Sie befanden sich in einem tiefen Tal, das der Länge nach von einem breiten Fluss geteilt wurde, der sich ruhig an ihrer Lagerstätte vorbeischlängelte, während die beiden Maultiere nur wenige Fuß von ihnen entfernt grasten.
Er richtete den Blick stromaufwärts, vorbei an den Binsen, die in großen Mengen das gewundene Ufer säumten, und betrachtete das gelbe Grasland, das sich über den gesamten Talboden erstreckte und in einer Morgenbrise erzitterte, die den Duft von heißem Kisch und gebratenem Knoblauch sowie gelegentlich einer Andeutung von Gelächter mitbrachte. Am Eingang des Tals erhob sich ein großes Gebäude aus roten Ziegelsteinen mit einem Turm an der einen Ecke. Es war von einem kleinen Wald aus niedrigen goldfarbenen Bäumen umgeben.
An diesem Morgen ließen sie sich Zeit, das Lager abzuschlagen. Nico saß still da, bis der Chee seinen leeren Magen beruhigt hatte, und genoss müßig den Anblick
der Umgebung, während das kleine Lagerfeuer die Halmfliegen abhielt. Asch rasierte und wusch sich im Fluss, in dem er nackt und bis zur Hüfte im Wasser stand und manchmal vor Kälte jauchzte. Nico versuchte sich das wenige in Erinnerung zu rufen, was er aus den letzten fünf Tagen noch wusste … es waren bloße Bruchstücke, lebhafte Szenen, die durch das Nichts eingerahmt wurden, und ein noch rätselhafterer Traum von einem Mann, den er irgendwie gekannt hatte. Nichts davon ergab für ihn einen Sinn.
Schließlich entschied er, dass er sich endlich waschen und die Zähne putzen musste. Er legte diese nutzlosen Erinnerungen zusammen mit seiner Kleidung ab, holte aus seinem Gepäck ein Stück Seife und den kleinen Stecken und gesellte sich zu Asch in den langsamen, eiskalten Bergstrom. An manchen Stellen war er so tief, dass man darin schwimmen konnte, und damit verbrachte Nico den größten Teil des Morgens. Er schwamm oder trieb auf dem Rücken, während die Sonnenstrahlen auf ihn niederfielen und gelegentlich eine scheue Regenbogenforelle um seine Zehen herumsprang. Seine steifen, überbeanspruchten Muskeln entspannten sich allmählich. Seine vielen Schnitt- und Schürfwunden brannten unter der willkommenen Frische des kalten Stroms.
Als Nico sich mit seinem Hemd abtrocknete und in der kühlen Brise zitterte, stellte er fest, dass er einen kleinen Busch anstarrte, der am Ufer des Flusses wuchs. Es war der Gleiche wie jener, der sie auf die seltsame, vier oder fünf Tage lange Reise durch die Berge geschickt hatte, und auch dieser trug ölig schwarze Beeren mit
weißen Mustern. Nico richtete Aschs Aufmerksamkeit darauf.
»Ja, wir werden die Beeren wieder benutzen, wenn wir von hier weggehen«, erklärte der alte Mann. »Mach dir keine Sorgen«, fügte er hinzu, als er Nicos Besorgnis
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