Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
wegzusehen.
Aber ihr Körper gehörte ihr nicht mehr. Ihre Augen schlossen sich nur für die Dauer eines Blinzelns.
Er gab die Schüssel der Priesterin und trat auf Rianna zu. Kein Laut drang aus ihrer Kehle.
Mit gierigen Händen zerriss er die Reste ihres Kleides. Sein Gesicht war eine Maske, als er auf ihren sich hebenden und senkenden weißen Busen und auf die Nippel starrte, die steif vor Angst waren. Das Siegel ruhte noch immer zwischen ihren Brüsten und pulsierte wie gewöhnlich. Er richtete den Blick darauf, zunächst verwirrt, doch dann folgte kühles Verstehen.
Er bleckte die Zähne und schnappte nach ihr. Zuerst glaubte sie, er wollte sie beißen, doch stattdessen riss er ihr das Siegel mit einer wütenden, ruckartigen Bewegung ab. Er spuckte es in die Flammen der Kohlenpfanne.
»Das Fleisch ist stark«, keuchte der junge Priester ihr faulig ins Gesicht.
Doch da lag Rianna bereits im Sterben.
KAPITEL ZWÖLF
Vendetta
»Wohin gehen wir?«, wollte Nico wissen, als er hinter Asch in den Westflügel des Klosters eilte, den mit Tiq-Holz getäfelten Hautkorridor entlangrannte und schließlich eine Treppe hinunter in einen schwach erleuchteten Keller hastete, in dem sich Kisten, Truhen und verschiedene aufgestapelte Vorräte befanden. Asch begab sich still zur Mitte des hölzernen Fußbodens; sein Körper warf einen langen Schatten unter der einsamen Laterne, die von der Decke herabhing. Nico blieb neben ihm stehen. Er folgte Aschs Blick und betrachtete den Boden unter ihren Füßen.
Der alte Mann nahm einen Schlüssel aus seiner Robe. Er war so dünn wie ein Zimmerernagel und hatte am einen Ende einen fein gearbeiteten Bart. Asch bückte sich und führte ihn in ein Loch im Boden ein, das Nico nicht sehen konnte. Ein Drehen, ein Klicken, und plötzlich zog Asch eine Falltür auf, unter der sich eine steinerne Treppe erstreckte. Abgestandene Luft drang herauf. Sie stiegen schweigend hinab.
Nach zwölf Stufen erreichten sie einen niedrigen, feuchten Tunnel und folgten ihm bis zu einer Lichtquelle an seinem Ende.
»Wir nennen es das Beobachtungshaus«, erklärte Asch leise, als er mit einem Kopfnicken die zwei langhaarigen Rō̄̄schun begrüßte, die Rücken an Rücken in der Mitte des hell erleuchteten Kellerraums knieten, in den sie nun gelangt waren. Eine Decke aus weißem Gips wölbte sich hoch über ihren Köpfen, gelegentlich durchstochen von Wurzeln, die wie verloren in der dunstigen Atmosphäre schwankten. Die Decke senkte sich bis zu den kreisrunden Wänden, die in dem gleichen traurigen, feuchten Weiß getüncht waren.
Diese Wände wurden von zahllosen Laternen erhellt und von Reihen aus vollkommen gleichartigen kleinen Alkoven durchbrochen; es waren Hunderte und Aberhunderte. In vielen von ihnen sah Nico die vertrauten dunklen Umrisse von Siegeln, die an Haken hingen. Insgesamt mussten es Tausende sein.
Was eine feierliche Erfahrung hätte sein können – so tief unter der Erde und umgeben von dieser schieren Menge –, war stattdessen unheimlich und unwirklich, denn all diese Siegel bewegten sich. Nico betrachtete sie näher. Es dauerte einige Momente, als ob sich sein Verstand weigerte, diese Dinge als das anzusehen, was sie wirklich waren, doch plötzlich hatte er einen klareren Blick und erkannte, dass all diese Siegel etwa fünfmal in der Minute wie winzige ledrige Lungen ein- und ausatmeten.
Alle außer einem.
Sie traten vor es, und Nicos Atem klang laut in seinen Ohren, während Asch mit leiser, vibrierender Stimme erklärte, dass dieses Siegel in der Nacht gestorben war. Er hoffte, dass es sich um einen Unfall oder einen natürlichen Tod handelte und nicht um einen Mord, der eine Vendetta erforderte. Mit diesen Worten nahm Asch es von seinem Haken und eilte aus dem Beobachtungshaus, während Nico ihm folgte.
Mit schnellen Schritten verließen sie das Kloster.
»Wohin gehen wir?«, fragte Nico, als sie einen Pfad hinunter zum Talgrund betraten.
»Wir besuchen jemanden«, antwortete Asch über die Schulter. »Einen Mann, zu dem ich dich schon längst gebracht haben sollte.«
»Und warum habt Ihr es bisher nicht getan?«
Der Farlander sprang über einige Steine auf dem Hang und ging weiter, ohne eine Antwort zu geben. Nico stolperte hinter ihm her und wurde schneller, um Asch einzuholen. Das trockene Gras wischte ihm um die Beine.
»Wer ist dieser Mann?«, rief er. »Ein Seher. Er wird für uns das Siegel lesen und uns dann sagen, was in der Nacht passiert ist.«
»Dann stimmt
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