Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
neben der Kette schimmerte, mit der ihre Fußgelenke gefesselt waren. Die anderen Sklaven sahen mit unterschiedlich großem Mitgefühl zu und schienen hauptsächlich erleichtert darüber zu sein, dass sie nicht ausgewählt worden waren. Ein Gefühl der Scham war im Käfig fast mit Händen zu greifen: Die Sklaven konnten sich kaum in die Augen blicken.
Aber die Frau war nicht so hilflos, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Als die Akolyten sie wegführen wollten, stolperte sie und befreite sich aus ihrem Griff. Sie schlurfte unbeholfen auf die Reling an der Schiffsseite zu, die ihr am nächsten lag. Einer der Akolyten versuchte sie aufzuhalten, doch er war nicht schnell genug. Sie sprang über die Bordwand, fiel mit einem schrecklichen Platschen ins Wasser und verschwand sofort, denn sie wurde durch die schweren Fußfesseln in den nassen Tod gezogen.
Das rothaarige Mädchen wimmerte, als es seine Mutter über die Reling springen sah. Es war ein erbärmlicher, tierischer Laut, der aus Riannas Kehle drang, aber zu anderen Gefühlsäußerungen war sie nicht mehr in der Lage.
Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich mit ihren zitternden Händen ganze Haarbüschel aus der Kopfhaut riss. Ihr Verstand hatte sich vom Körper abgespalten, auch wenn er in gewisser Weise noch zu klaren Gedanken fähig war: Jetzt ist meine Mutter tot, und mein Vater ist tot, mein geliebter Marth ist tot, und ich bin tot, und alles, alles, alles ist tot .
»O Erē̄s!«, rief sie in ihrem Kopf aus, ergriffen von dem Bild ihrer Mutter, wie sie dort unten in den eisigen schwarzen Tiefen des Sees zu atmen versuchte. O Mutter, o liebe Mutter …
Um nicht länger diese schrecklichen Dinge denken zu müssen, schlug sie ihren Schädel wieder und wieder gegen die Gitterstäbe des Käfigs. Eine Frau neben ihr versuchte sie zu trösten, indem sie dem Mädchen den Arm
um die Schultern legte. Sie gab beruhigende Laute von sich und drückte fester und fester, als ob sie beide davor bewahren wollte, vor Angst auseinanderzufallen.
Mach es genauso , dachte ein übrig gebliebener Rest von Riannas Verstand. Stürz dich ins Wasser, sobald sie dich hier herausholen.
Nein , widersprach eine andere Stimme, einen so sauberen Tod hast du nicht verdient. Wegen dir sind sie alle gestorben … weil du mit deiner Widerspenstigkeit die Aufmerksamkeit und das Verlangen dieses jungen Priesters erregt hast .
»Mutter«, krächzte sie, und alles in ihr zerbrach. Sie musste vor diesem Alptraum fliehen. Sie musste aufwachen und zurück in die Welt fliehen, die sie als ihre eigene kannte.
In gewisser Weise wurde ihr dieser Wunsch gewährt. Sie verlor das Bewusstsein und stieg in eine süße Schwärze hinab.
Als sie wieder zu sich kam, war anscheinend nicht viel Zeit vergangen, und sie kauerte noch immer zwischen ihren Mitgefangenen vor den Gitterstäben. Rianna würgte, als das Grauen zu ihr zurückkehrte. Sie versuchte zu atmen und rang nach Luft.
Vielleicht hätte sie jetzt endgültig den Verstand verloren, wenn sie nicht bemerkt hätte, dass sich ihre Hand ganz fest um etwas geschlossen hatte, das um ihren Hals hing.
Ohne nachzudenken benutzte sie die andere Hand dazu, die knochenweißen Finger der einen aufzubiegen,
und sie starrte auf das Ding, das sie umkrallt hatte. Sie erkannte, dass es das Siegel war – ein Gegenstand, den bisher niemand beachtet hatte. Es war das Siegel, das Riannas Vater ihr an ihrem sechzehnten Geburtstag gekauft hatte, weil er sich wie immer sehr um die Sicherheit seiner Familie gesorgt hatte.
Rianna war entsetzt gewesen, als er sie gezwungen hatte, es zu tragen. Es war genauso scheußlich anzusehen wie zu berühren. Noch erschrockener war sie gewesen, als sie in der ersten Nacht erwachte und feststellte, dass es lebte und an ihrer Brust atmete.
Doch ihr Vater war unerbittlich gewesen. Ich bin der Hohepriester dieser Stadt, meine Tochter , hatte er ihr in Erinnerung gerufen. Viele würden mich gern tot sehen, und wenn sie mir selbst nichts antun können, dann werden sie vielleicht versuchen, sich an meiner Familie zu rächen. Du musst es immer tragen; es ist zu deinem eigenen Schutz .
Sie hatte mit ihm gestritten und sich darüber beschwert, dass es furchtbar aussah und eine große Ungerechtigkeit war, denn er musste so etwas nicht tragen, und Mutter auch nicht, warum also ausgerechnet sie? Aber er hatte sich nicht erweichen lassen. Deine Mutter folgt meinem Beispiel , hatte er erklärt. Der Orden von Mhann erlaubt es mir
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