Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
Hunde in der Nähe waren), daß sie reine
    -93-

    Zeitverschwendung wären und nur langes Herumstehen im Kalten bedeuteten, brachten ihn die Schafe todsicher mit einem ohrenbetäubenden Geblöke «Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht!« zum Schweigen. Doch im großen und ganzen
    genossen die Tiere diese Feierlichkeiten. Sie fanden es tröstlich, daran erinnert zu werden, daß sie immerhin und wahrlich und wahrhaftig ihre eigenen Herren waren und daß die Arbeit, die sie leisteten, nur ihnen allein zugute kam. Und so gelang es ihnen, über den Liedern, den Aufmärschen, Schwatzwutz'
    Zahlenkolonnen, dem Donnern des Gewehrs, dem Krähen des Junghahns und dem Flattern der Flagge wenigstens hin und wieder zu vergessen, daß ihre Bäuche leer waren.
    Im April wurde die Farm der Tiere zur Republik ausgerufen, und es stand an, einen Präsidenten zu wählen. Es gab nur einen Kandidaten, Napoleon, der dann auch einstimmig gewählt wurde. Am selben Tag noch wurde bekanntgegeben, daß sich neue Dokumente gefunden hätten, die weitere Einzelheiten über Schneeballs Komplizenschaft mit Jones enthüllten. Es erwies sich jetzt, daß Schneeball nicht bloß, wie die Tiere früher angenommen hatten, versucht hatte, die Schlacht am Kuhstall durch eine Kriegslist zu verlieren, sondern, daß er ganz offen an Jones' Seite gekämpft hatte. Tatsächlich war er der eigentliche Anführer der menschlichen Streitkräfte gewesen und hatte sich mit den Worten »Lang lebe die Menschheit!« in die Schlacht gestürzt. Die Wunden auf Schneeballs Rücken, die ein paar Tiere sich noch erinnerten gesehen zu haben, stammten von Napoleons Zähnen.
    Mitten im Sommer tauchte nach mehreren Jahren der
    Abwesenheit plötzlich Moses, der Rabe, wieder auf der Farm auf. Er war ganz der alte, arbeitete noch immer nicht und sprach wie eh und je vom Kandiszucker-Berg.
    -94-

    Er pflegte sich auf einen Stubben zu hocken, mit den schwarzen Flügeln zu flappen und stundenweise jedem etwas vorzuerzählen, der es nur hören mochte. »Dort oben,
    Genossen«, pflegte er feierlich zu sagen, indem er mit seinem langen Schnabel in den Himmel wies - »dort oben, gerade auf der anderen Seite dieser dunklen Wolke, die ihr da seht - dort liegt Kandiszucker-Berg, das glückliche Land, wo wir armen Tiere auf ewig von unseren Mühen ausruhen sollen!« Er behauptete sogar, auf einem seiner Höhenflüge dort gewesen zu sein und die immerwährenden Kleefelder und den auf den Hecken wachsenden Ölkuchen und Würfelzucker gesehen zu haben. Viele unter den Tieren glaubten ihm. Ihr Leben, sannen sie so, bestünde jetzt bloß aus Hunger und Mühsal; wäre es da nicht nur recht und billig, daß irgendwo anders eine bessere Welt existiere? Schwer einzuschätzen allerdings war die Einstellung der Schweine Moses gegenüber. Sie erklärten alle abschätzig, seine Geschichten über Kandiszucker-Berg seien Lügen und erlaubten ihm trotzdem, auf der Farm zu bleiben, ohne zu arbeiten und mit einer täglichen Zuteilung von einem achtel Liter Bier.
    Nachdem sein Huf verheilt war, arbeitete Boxer härter als je zuvor. Freilich arbeiteten in diesem Jahr alle Tiere wie Sklaven.
    Außer der regulären Farmarbeit und dem Wiederaufbau der Windmü hle war da noch das Schulhaus für die jungen
    Schweine, mit dessen Bau im März begonnen wurde. Manchmal waren die langen Stunden bei schmaler Kost schwer zu ertragen, doch Boxer wankte nie. Nichts von dem, was er sagte oder tat,
    -95-

    deutete darauf hin, daß es um seine Kräfte nicht mehr so bestellt war wie früher. Nur sein Aussehen hatte sich ein wenig verändert; sein Fell glänzte nicht mehr wie sonst, und seine mächtigen Hanken schienen geschrumpft zu sein. Die anderen sagten: »Boxer wird schon zunehmen, wenn das Frühlingsgras sprießt«, doch der Frühling kam, und Boxer wurde nicht dicker.
    Wenn er auf dem Abhang, der zur Spitze des Steinbruchs führte, seine Muskeln gegen das Gewicht eines gewaltigen
    Felsbrockens stemmte, schien es manchmal, als halte ihn nur noch der bloße Wille zum Weitermachen auf den Beinen. In solchen Augenblicken sah man seine Lippen die Worte formen:
    »Ich will und werde noch härter arbeiten«; die Stimme aber versagte ihm. Erneut redeten ihm Kleeblatt und Benjamin ins Gewissen, er solle auf seine Gesundheit achtgeben, aber Boxer hörte nicht hin. Sein zwölfter Geburtstag rückte näher. Es kümmerte ihn nicht, was passierte, solange nur ein tüchtiger Steinvorrat angesammelt war, bevor er in den Ruhestand trat.
    Eines

Weitere Kostenlose Bücher