Farmer, Philip José - Flusswelt 02
Oberfläche dermaßen erhitzen, daß es eine Rauchwolke produziert, anhand derer sie seinen Flug vermutlich werden verfolgen können. Aufgrund des geringen Gewichts der Kugel hat sie auch das vergleichsweise große Kaliber. Deswegen auch der Luftwiderstand. Sollten wir uns für diese Waffe entscheiden – wogegen ich allerdings bin –, könnten wir das Kaliber bei einem weiteren Prototyp vielleicht gerade auf fünfundsiebzig erhöhen. Die effektive Reichweite der Mark I beträgt fünfzig Yards, aber die Zielgenauigkeit nimmt nach dreißig rapide ab. Übrigens ist das, was sie innerhalb von dreißig Yards bringt, auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.«
Der Hahn der Waffe war jetzt gespannt. Wenn van Boom den Stecher durchzog, würde der Hammer herunterfallen und das Zündhütchen in Brand setzen. Er drückte ab. Es klickte leise, dann krachte es. Die Kugel zog einen Rauchfaden hinter sich her und kämpfte taumelnd gegen den Wind an. Sam, der ihren Kurs anhand des ausgestreckten Arms von van Boom mitverfolgte, sah, daß der Wind ihre Bewegung stark beeinträchtigte. Aber dennoch schien der Ingenieur bereits eine Weile mit der Pistole geübt zu haben, denn das Geschoß verfehlte die Zehn nur um ein Haar. Krachend traf sie auf die Zielscheibe auf und riß ein großes Loch in ihre Oberfläche.
»Die Kugel wird einen Menschen zwar nicht durchdringen können«, sagte van Boom, »aber sie wird ein großes Loch in ihm hinterlassen. Und wenn sie einem Knochen nahe kommt, kann sie ihn sicherlich auch zerschmettern.«
Die nächsten Stunden bestanden darin, daß die Ratsherren nacheinander auf die Zielscheibe feuerten. Ganz besonders König John schien von der Schußwaffe begeistert zu sein, auch wenn er sich anfangs ein wenig furchtsam anstellte: Pistolen waren für ihn etwas völlig Neues. Die ersten Erfahrungen mit Schießpulver hatte er mehrere Jahre nach seiner Wiedererweckung gemacht, und bis dato war er nur mit Bomben und Raketen in Berührung gekommen.
Schließlich sagte van Boom: »Wenn Sie so weitermachen, meine Herren, werden unsere Kugeln entweder bald knapp werden oder völlig aufgebraucht sein. Es nimmt eine Menge Zeit in Anspruch, Geschosse dieser Art herzustellen, was übrigens einer meiner Gründe ist, weswegen ich gegen die Massenproduktion dieser Waffe bin. Des weiteren bitte ich zu bedenken, daß diese Pistole einen zu kleinen Aktionsradius hat und der Ladevorgang einen solchen Zeitaufwand erfordert, daß es einem guten Bogenschützen ohne weiteres möglich wäre, drei Pistoleros zu töten, während sie laden. Und dazu müßte er nicht einmal in die Reichweite ihrer Schußwaffen kommen. Außerdem sind die Geschosse, die diese Waffe verfeuert, im Gegensatz zu den Pfeilen eines Bogenschützen nicht wieder verwendbar.«
Sam erwiderte: »Das ist doch alles Quatsch! Diese Pistolen würden doch schon hauptsächlich deswegen zu unserer Stärkung beitragen, weil sie unsere militärische und technologische Überlegenheit demonstrieren. Noch bevor es zu einer Schlacht käme, würde die Hälfte jeder gegnerischen Armee bereits vor lauter Angst gestorben sein. Außerdem vergessen Sie, wie lange es dauert, einen erstklassigen Bogenschützen auszubilden. Mit dieser Knarre hingegen kann jedes Kind sofort umgehen.«
»Sicher«, nickte van Boom. »Aber ich frage mich, ob sie auch etwas treffen würden. Ich habe darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, unsere Leute mit stählernen Armbrüsten auszurüsten. Man kann sie zwar nicht so schnell handhaben wie Flitzebogen, aber sie benötigen auch nicht mehr Ausbildungsstunden wie Pistolen, und die Metallbolzen, die sie verschießen, sind wiederverwendbar. Des weiteren sind sie weitaus tödlicher als diese krachenden und stinkenden Spielzeuge.«
»O nein, mein Herr!« entgegnete Sam. »Ich bestehe darauf, daß Sie mindestens zweihundert von diesen Pistolen herstellen. Wir werden damit eine neue Kampfgruppe ausrüsten, die wir die >Parolando-Pistoleros< nennen. Man wird sie bald den >Schrecken des Flusses< nennen- Sie werden sehen! Warten Sie nur ab!«
17
Was dies anbetraf, befand sich König John völlig auf Sams Seite. Er verlangte, daß die beiden ersten Waffen ihm und Sam ausgehändigt wurden und das nächste Dutzend an ihre Leibwächter ging. Anschließend sollte die neue Kampfgruppe ausgerüstet und trainiert werden.
Sam war ihm zwar dankbar für diese Rückenstärkung, nahm sich jedoch vor, darauf zu achten, wer in die Reihen der Pistoleros aufgenommen wurde. Er
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