Farmer, Philip José - Flusswelt 02
Sandwich-Inseln. Er fühlte sich unwohl und wußte auch weshalb. Seine Empfindlichkeit den Eingeborenen gegenüber hatte zum Teil daran gelegen, daß sie ihn unbewußt anzogen, obwohl er wußte, daß es zwischen ihnen keinerlei Brücke gab.
Livy hatte zwar eine puritanische Erziehung genossen, aber sie war davon nicht kaputtgemacht worden. Auf der Erde hatte sie es ebenso gelernt, dann und wann einen Drink zu nehmen wie Bier zu mögen; und hin und wieder hatte sie sogar geraucht und etwas zur Entwicklung des Landes zu sagen gehabt. Nicht daß sie revolutionäre Ansichten vertreten hätte – aber sie hatte zumindest an manchen Dingen ihre Zweifel artikuliert. Sie hatte sogar seine konstanten Flüche zu tolerieren gelernt und gelegentlich – wenn die Kinder aus dem Hause gewesen waren – selbst einen von sich gegeben. Was sie über seine im Entstehungsstadium befindlichen Bücher gesagt hatte, war für ihn ein Quell der Inspiration gewesen und hatte ihm eine Menge zu erwartender Strafprozesse nicht eingebracht.
Ja, Livy hatte immer schon große Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Zu viel. Jetzt, nach einer zwanzigjährigen Abwesenheit, hatte sie sich in Cyrano de Bergerac verliebt. Und Sam wurde das ungute Gefühl nicht los, daß der wilde Franzose in ihr etwas erweckt hatte, das er hätte ebenso erwecken können, wenn er nur nicht so zurückhaltend gewesen wäre. Aber jetzt – nach so vielen Jahren auf dem Fluß und dem Genuß unzähliger Traumgummis – kannte er diese Selbstbeschränkungen nicht mehr. Und nun war es zu spät.
Es sei denn, Cyrano verließ diese Gegend…
»Hallo, Sam«, begrüßte sie ihn auf englisch. »Wie gehts dir an einem solch herrlichen Tag?«
»Jeder Tag hier ist schön«, erwiderte er. »Deswegen kann man nicht einmal über das Wetter reden, wenn man sich nichts anderes zu sagen hat.«
Sie lächelte bezaubernd. »Gehst du mit zum nächsten Gralstein?« fragte sie dann. »Es ist bald Mittagszeit.«
Er schwor sich jeden Tag aufs neue, ihr nicht zu nahe zu kommen, weil dies ihn zu sehr schmerzte, aber er ließ keine Gelegenheit aus, ihr so nahe wie nur möglich zu sein.
»Wie geht’s Cyrano?« fragte Sam.
»Oh, ausgezeichnet, zumal er nun doch noch zu seinem Rapier kommt. Bildron, der Waffenschmied, hat ihm versprochen, daß er das erste bekommen würde – nachdem du und die Ratsherren die ihren haben, natürlich. Er hatte sich bereits mit dem Gedanken, niemals wieder eine Klinge in der Hand zu halten, abgefunden, als er hörte, daß in dieser Gegend ein Meteorit heruntergekommen sein solle. Deswegen kamen wir her – und jetzt hat der größte Degenfechter der Welt endlich einmal die Chance, denjenigen Lügenmäulern, die seine Fähigkeiten anzweifelten, zu zeigen, daß sein Ruf nicht übertrieben ist.«
»Ich würde nicht sagen, daß die Leute Lügengeschichten über ihn erzählen, Livy«, erwiderte Sam. »Höchstens, daß einige Geschichten über ihn erzählen, die übertrieben sind. Ich kann immer noch nicht glauben, daß er einmal ganz allein zweihundert Degenfuchtler aufgehalten haben soll.«
»Der Kampf an der Porte de Nesle ist authentisch! Und es waren gar keine zweihundert Männer! Du bist derjenige, der übertreibt, Sam, so wie du es immer getan hast. In Wirklichkeit war es eine Bande von Meuchelmördern, die nicht einmal hundert Mann auf die Beine brachten, obwohl sie das ruhig hätten tun können. Selbst wenn es nur fünfundzwanzig waren: Tatsache ist, daß Cyrano sie ganz alleine angriff, um das Leben seines Freundes Chevalier de Lignieres zu retten. Er brachte zwei der Angreifer um, verwundete sieben und schlug den Rest der Halunken in die Flucht. Das ist die heilige Wahrheit!«
»Ich habe keine Lust, mich mit dir über die Vorzüge deines Mannes zu streiten«, erwiderte Sam. »Ich will mich mit dir über gar nichts streiten. Laß uns über die Zeiten reden, in denen wir glücklich waren – vor deiner Krankheit.«
Livy blieb stehen. Ihr Gesicht wurde zu einer Maske.
»Ich habe immer gewußt, daß du mir meine Krankheit übel nahmst, Sam.«
»Nein, das ist nicht wahr«, erwiderte er. »Ich glaube sogar, daß ich mich wegen ihr schuldig fühlte, als sei ich selbst derjenige gewesen, der sie verursacht hat. Ich haßte nicht nur mich deswegen, sondern auch alle anderen Menschen.«
»Ich habe nicht behauptet, daß du mich haßtest«, sagte Livy, »sondern daß du mir die Krankheit übelnahmst. Und das hast du mir auf viele Arten gezeigt. Oh, möglicherweise hast du
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