Farmer, Philip José - Flusswelt 02
ihm lag plötzlich die Handfeuerwaffe, die er an seinem Bett zurückgelassen hatte. Er fand drei Pulverpäckchen und eine Anzahl von Plastikkugeln. Die Explosion mußte alles aus dem Haus herausgeschleudert haben.
Zwei Männer wirbelten wie in einem Tanz an ihm vorbei, während sie einander gepackt hielten, keuchend miteinander rangen und sich gegenseitig in die blutbesudelten Gesichter starrten. Sie hielten an und Sam erkannte König John. Der Mann, mit dem er kämpfte, war größer als er, aber keinesfalls von einer ähnlich schwerfälligen Statur. Er hatte seinen Helm verloren; Sam sah dunkelbraunes Haar und die gleichen blaßblauen Augen wie die Johns.
Sam drückte den Lauf der Pistole nach unten, legte eine Kugel ein und verfuhr mit der Waffe genau so, wie er es am Morgen zuvor in den Hügeln gelernt hatte. Dann entriegelte er den Sicherungshebel und stand auf. Die beiden Männer kämpften noch immer um jeden Fußbreit Boden und versuchten einander die Beine unter dem Körper wegzutreten. John war mit einem stählernen Messer bewaffnet; sein Kontrahent mit einer aus dem gleichen Material gefertigten Streitaxt. Jeder umklammerte den Waffenarm des anderen.
Sam blickte sich um. Momentan drohte ihm keinerlei Gefahr. Er machte einige Schritte nach vorn, hob den Lauf seiner Pistole und umklammerte den Griff fest mit beiden Fäusten. Dann zog er den Stecher durch. Er hörte ein leises Klicken, fühlte wie die Waffe in seinen Händen tanzte, als der Hammer niedersauste, sah einen hellen Lichtblitz, dann eine Rauchwolke und schließlich Johns Gegner zu Boden sinken. Das Geschoß hatte ihm das halbe Gesicht weggerissen.
John stürzte keuchend zu Boden. Schließlich stand er ohne Hast wieder auf und sah Sam an, der bereits wieder im Begriff war, die Pistole nachzuladen. »Vielen Dank, Partner«, sagte John. »Der Mann, den du umgebracht hast, war mein Neffe Arthur!«
Sam schwieg. Wäre er kaltblütig gewesen, hätte er solange gewartet, bis Arthur John getötet hatte, um ihn dann umzubringen. Es war geradezu eine Ironie des Schicksals, daß er, Sam, das Leben jenes Mannes gerettet hatte, von dessen Tod er nur hätte profitieren können. Davon abgesehen konnte man von John keinerlei aufrichtigen Dank erwarten: Aufrichtigkeit war ein Begriff, der in seinem Wortschatz einfach nicht vorkam.
Sam lud die Pistole nach und machte sich dann auf, um nach Joe Miller Ausschau zu halten. Statt dessen sah er Livy, die sich mit erhobenem Schild gegen einen heftig auf sie einschlagenden Ulmak, dessen linker Arm stark blutete, verzweifelt zur Wehr setzte. Der Ulmak besaß eine Axt, die er mit wuchtigen Schlägen in Livys Schild trieb. Ihr Speer war bereits zerbrochen, und es war nur noch eine Frage von Sekunden, daß sie umfiel oder den Schild sinken ließ. Sam ergriff die Pistole am Lauf und drosch mit dem eisernen Knauf auf den Schädel des Mannes ein. Livy fiel weinend und zitternd zu Boden. Normalerweise hätte Sam sich jetzt über sie gebeugt und sie getröstet, aber allem Anschein nach drohte ihr jetzt keine unmittelbare Gefahr mehr – und er hatte Joe Miller noch immer nicht gefunden. Als er sich wieder in das Kampfgetümmel warf, stellte er fest, daß Joe bereits wieder auf den Beinen war: Seine Streitaxt wirbelte durch die Luft und erledigte einen Gegner nach dem anderen.
Ein paar Schritte von einem Mann entfernt, der gerade im Begriff war, Joe hinterrücks anzufallen, blieb Sam stehen und feuerte. Die Axt des Burschen entfiel seinen kraftlosen Händen.
Eine Minute später liefen die Invasoren bereits um ihr Leben. Der Himmel wurde grau, und in dem jetzt besseren Licht konnte man erkennen, daß die Parolandos von Norden und Süden auf sie zukamen. Die beiden restlichen Gruppen der Angreifer waren vernichtet worden, und jetzt rückten die Truppen von allen Seiten gegen sie vor. Außerdem brachten sie Raketen mit, die sie nun gegen die Boote einsetzten, die die Flüchtenden aufnehmen sollten.
Die Menschenleben und Zerstörungen, die der unerwartete Angriff gefordert hatte, deprimierten Sam zutiefst. Zum ersten Mal hatte er allerdings auch das Gefühl, die Niedergeschlagenheit, die ihn jedes Mal ergriff, wenn es zu einem Kampf kam, überwunden zu haben. Die letzten zehn Minuten der Schlacht hatten ihm geradezu Spaß gemacht.
Kurz darauf war das Gefühl aber auch schon wieder vorbei. Ein wildäugiger, nackter Hermann Göring erschien mit blutverschmiertem Schopf auf dem Schlachtfeld. Er riß die Arme hoch und schrie: »Oh,
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