Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
Können mit dem anspruchsvollerer Fechter später Jahrhunderte vergleichen zu lassen. Anfangs hatte Jill geglaubt, daß sein Ruhm auf der maßlosen Übertreibung der Leute basierte, zumal niemand sagen konnte, ob die Geschichte seines heldenhaften Kampfes an der Porte de Nesle der Wahrheit entsprach oder auf einer Legende fußte. Der einzige Mensch, der darüber genaueres hätte sagen können, war der Franzose selbst – der allerdings niemals ein Wort darüber verlor.
Cyrano hatte erst später die Feinheiten des Klingenkreuzens erlernt – und zwar von Männern wie Radaelli und Borsody, die er nach vier Ausbildungsmonaten überflügelt und nach einem weiteren geschlagen hatte. Jetzt galt er als unbesiegbar. Noch.
Obwohl sie zunächst etwas zurückhaltend vorging, lieferte Jill Cyrano mit jeder Minute, die er ihr widmete, einen besseren Kampf. Aber es gelang ihr nicht, innerhalb eines üblichen Sechs-Minuten-Kampfes mehr als einen der fünf erreichbaren Punkte zu gewinnen. Cyrano war so geschickt, daß er meist schon vier davon für sich verbucht hatte, ehe Jill die Gelegenheit erhielt, einen für sich zu holen. Nach einer Weile kam ihr der Gedanke, daß er ihr möglicherweise regelmäßig diesen einen Punkt schenkte, um sie bei guter Laune zu halten. Einmal, nachdem sie eine Trainingsstunde absolviert hatten, sagte sie, sie habe das Empfinden, von ihm zu gönnerhaft behandelt zu werden.
»Selbst wenn ich in Sie verliebt wäre und es demgemäß scheute, Ihre Gefühle zu verletzen«, erwiderte er, »würde ich das niemals tun! Es wäre unehrlich. Selbst unter dem Gesichtspunkt, daß in der Liebe und im Krieg alle Mittel erlaubt sind, könnte ich das nicht für mich gelten lassen. Nein – Sie haben sich jeden Punkt ausschließlich aufgrund Ihrer eigenen Fähigkeiten erworben.«
»Aber wenn es ein ernsthafter Kampf gewesen wäre«, meinte Jill, »und wir mit spitzen Klingen gefochten hätten – müßte ich da nicht längst tot sein? Der erste Treffer kam immer von Ihnen.«
Cyrano schob seine Schutzmaske hoch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das stimmt. Aber das soll doch etwa nicht heißen, daß Sie mit dem Gedanken spielen, mich zu einem Duell herauszufordern? Sind Sie etwa immer noch wütend auf mich?«
»Meinen Sie wegen der Sache damals am Flußufer? Nein. Deswegen nicht.«
»Und weswegen dann, wenn ich mir die Kühnheit herausnehmen darf, danach zu fragen?«
Da sie ihm darauf keine Antwort gab, zog er die Brauen hoch und zuckte in typisch gallischer Manier die Achseln.
Cyrano war besser als sie. Sooft sie trainierte, wie sehr sie sich auch anstrengte – weil er ein Mann war und gegen niemanden, ob Mann oder Frau, verlieren wollte, war sie stets die Verliererin. Einmal, als sie ihn wegen seiner Ignoranz und seines Aberglaubens aufgezogen hatte (um ihn zu reizen), war er so wütend geworden und mit einem solchen Zorn auf sie losgegangen, daß er innerhalb von fünfeinhalb Minuten fünf Treffer erzielte. Anstatt den Kopf zu verlieren, wie man es von einem normalen Menschen hätte erwarten können, war er nur noch mehr zu einer kaltblütigen Maschine geworden, die nichts aus der Bahn werfen konnte. Cyrano war mit einer solchen Sicherheit und Behändigkeit zu Werke gegangen und hatte jede Bewegung mit einer Perfektion ausgeführt, die ihresgleichen suchte.
Und Jill hatte wieder einmal eine Niederlage einstecken müssen.
Mit Recht, sagte sie sich und entschuldigte sich bei ihm; auch wenn das Eingeständnis einer zweiten Niederlage gleichkam.
»Es war absolut falsch von mir, Sie wegen Ihrer mangelnden wissenschaftlichen Bildung und einiger falschen Ansichten aufzuziehen«, sagte sie. »Es ist schließlich nicht Ihre Schuld, daß Sie 1619 geboren wurden. Ich hätte mich daran nicht festbeißen dürfen. Ich habe es nur getan, damit Sie die Selbstkontrolle verlieren und mir eine breitere Angriffsfläche bieten. Es war eine blödsinnige Idee. Ich verspreche, so etwas nie wieder zu tun, und bitte Sie aufrichtig um Entschuldigung. Es war nicht so gemeint.«
»Dann war das ganze gemeine Gerede also nichts anderes als ein Trick?« fragte Cyrano. »Ein verbaler Versuch, sich ein paar Punkte zu ergaunern? Sie haben es also in Wirklichkeit gar nicht persönlich gemeint?«
Jill zögerte einen Augenblick lang und sagte dann: »Ich will jetzt ganz ehrlich sein. Mein Hauptziel war, darauf hinzuarbeiten, daß Sie die Nerven verlören. Aber als mir die Idee kam, habe ich die Sache nicht rein intellektuell
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