Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
»Tatsächlich? Das würde dir gefallen, was? Dann brauchtest du wenigstens nicht deine schlotternden Knie und dein klopfendes Herz einem Luftschiff anzuvertrauen.«
»Du bist unheimlich nahe dran, mich aufzuregen, Tom.«
»Okay. Ich werde nie wieder ein Wort über dieses Thema verlieren. Außerdem weiß ich, daß du nicht einen einzigen feigen Knochen im Leibe hast. Was also machen wir jetzt? Du solltest nicht vergessen, daß Pete, wenn wir einfach weitersegelten, die Situation schon in der Hand haben kann, wenn wir den Nordpol erreichen.«
»Zum Teufel«, sagte Farrington plötzlich. »Wieso soll er überhaupt einer von denen sein? Sie sind den Menschen doch überlegen, oder? Und Pete ist garantiert kein Supermann. Das soll keine Beleidigung sein, Pete.« Tom sah Frigate mit zusammengekniffenen Augen an.
»Genauso gut könnte er bloß vorgeben, ein ganz normaler Mensch zu sein. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß jemand sechsundzwanzig Jahre lang eine solche Maske tragen kann.«
»Dann laß es uns ihm erzählen. Was haben wir denn zu verlieren? Außerdem habe ich jetzt keine Lust mehr, ein neunundzwanzig Jahre altes Geheimnis mit mir herumzutragen.«
»Du hast schon immer zuviel geredet.«
»Wer redet denn hier die ganze Zeit? Häuptling Altes Großmaul doch wohl höchstpersönlich.«
Farrington zündete sich eine neue Zigarette an. Rider folgte seinem Beispiel und sagte dann: »Willst du auch eine, Pete?«
»Ihr wollt mich wohl mit diesen Stinkdingern umbringen«, erwiderte Frigate und entnahm seinem Schulterbeutel eine Zigarre.
»Ich könnte jetzt auch einen Drink gebrauchen.«
»Das könnten wir alle. Tom, mach du das mal! Und dann werden wir dir alles erzählen, Pete. Herrgott, welch eine Erleichterung!«
55
»…’s war eine finstere und stürmische Nacht«, sagte Tom lächelnd, um zu demonstrieren, daß er sich durchaus darüber im klaren war, daß er die klassischen Einleitungsworte sämtlicher alter Geistergeschichten imitierte. »Jack und ich…«
»Bleib bei Martin, Tom, klar? Selbst im privaten Kreis.«
»Sicher, aber damals warst du noch Jack. Wie dem auch sei, ich kannte diesen Burschen hier zwar schon, aber man kann nicht sagen, daß wir miteinander befreundet gewesen wären. Unsere Hütten standen eng beieinander, und wir waren beide Matrosen auf einer Patrouillenschaluppe in der Marine des örtlichen Kriegsherrn.
Eines Nachts – ich hatte Freiwache und schlief in meiner Hütte – wachte ich plötzlich auf. Es hatte weder mit dem Donner zu tun, daß ich aufwachte, noch mit den Blitzen. Jemand berührte mich an der Schulter. Zuerst dachte ich, es sei Howardine, meine Frau. Du erinnerst dich an sie, Kid?«
»Sie war eine Schönheit«, sagte Martin zu Frigate. »Eine rothaarige Schottin.«
Frigate rutschte unruhig hin und her und sagte: »Ich kann’s kaum erwarten, daß ihr zur Sache kommt.«
»Okay, dann ohne Umschweife. Es war nicht meine Frau, weil ich hören konnte, daß sie schlief. Dann zeigte mir die Helligkeit eines Blitzes die Umrisse einer Gestalt, die neben mir kniete. Ich wollte aufspringen und griff gleichzeitig unter das Kissen, wo ich einen Tomahawk versteckt hatte. Aber ich konnte mich nicht bewegen.
Ich glaube, ich stand unter Drogen oder irgendeiner Art Bann. Ich dachte nur: Oh! Oh! Dieser Bursche hat dich irgendwie gelähmt, und jetzt wird er’s dir geben.
Natürlich wäre ich damals noch nach meinem Tod anderswo wieder aufgewacht – aber komischerweise hatte ich gar nicht das Gefühl, daß ich im Begriff war, dieses Land zu verlassen.
Dann ließen ein paar weitere Blitze mich einige Details dieses Burschen erhaschen. Ich war überrascht. Nicht verängstigt, weiß du, sondern nur überrascht. Er trug einen weiten, schwarzen Umhang. Und hatte keinen Kopf! Das heißt, er war von einem Ding umhüllt, das kugelrund war, wie ein Globus oder ein Goldfischglas. Uns es war pechschwarz, so daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Irgendwie brachte er es jedenfalls fertig, mich zu sehen.
Wenn ich mich auch nicht bewegen konnte, so konnte ich doch sprechen. Ich sagte: >Wer sind Sie? Was wollen Sie?< Obwohl ich laut genug sprach, um Howardine aufwecken zu können, rührte sie sich nicht. Ich nehme an, daß der Kerl auch sie irgendwie gelähmt hatte, aber stärker als mich.
Der Fremde sprach mit tiefer Stimme und antwortete mir auf englisch.
>Ich habe nicht viel Zeit, deswegen kann ich nicht auf Einzelheiten eingehen. Mein Name tut nichts zur Sache. Ich
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