Farmer, Philip José - Flusswelt 04
groß. Einige von ihnen waren sogar ausgesprochen lang. Die Paläolithiker waren dagegen meist klein, aber da sie einen schweren Knochenbau und starke Muskeln hatten, brauchten sie gar nicht größer zu sein. De Marbot wirkte unter all diesen Leuten wie ein Pygmäe, denn er maß nicht einmal einen Meter siebzig. Sam mochte ihn trotzdem – und er schätzte seinen Mut. Es machte ihm Spaß, de Marbot zuzuhören, wenn er von seinen Feldzügen erzählte und sich darüber ausließ, daß er jetzt Leute befehligte, die früher Generäle, Admirale oder Staatsmänner gewesen waren. »Es ist lehrreich, zur Abwechslung mal untergeordnete Ränge einzunehmen«, sagte Sam, »denn das formt den Charakter. Der Franzose ist ein ausgezeichneter Befehlshaber, und es amüsiert mich, weil er all diese Großkopfeten herumscheucht.«
De Marbot war gewiß ein Mann mit Erfahrungen und Fähigkeiten. Er war der republikanischen Armee Frankreichs im Alter von siebzehn Jahren beigetreten und hatte dort eine Blitzkarriere gemacht. Im Krieg gegen Preußen und Rußland (1806-1807) hatte er es zum Adjutanten von Marschall Augereau gebracht, der das VII. Corps kommandierte. Er hatte unter Lannes und Massena gedient, 1812 den Rußlandfeldzug und den schrecklichen Rückzug aus Moskau mitgemacht und war unter anderem auch 1813 beim Krieg gegen Deutschland dabeigewesen. Er war elfmal verwundet worden – unter anderem bei Hanau und Leipzig. Als Napoleon sein Exil auf Elba verlassen hatte, hatte er de Marbot zum Brigadegeneral gemacht. Während der blutigen Schlacht bei Waterloo war er noch einmal verwundet worden. Der Bourbonenkönig hatte ihn später in die Verbannung geschickt, aber 1817 war er in seine Heimat zurückgekehrt. Seine Teilnahme an der Belagerung von Antwerpen während der Julimonarchie hatte man ihm mit der Beförderung zum Generalleutnant belohnt. Von 1825 bis 1840 hatte de Marbot sich in Algerien verdient gemacht, wo er im Alter von sechzig Jahren zum letzten Mal verwundet worden war. Nach dem Sturz von König Louis Philippe hatte er sich 1848 zurückgezogen und seine Memoiren geschrieben. Diese hatten Arthur Conan Doyle dermaßen entzückt, daß er de Marbot als Modell für seinen fiktiven Charakter Brigadier Gerard benutzte. Der Hauptunterschied zwischen dem wirklichen und dem literarischen de Marbot bestand allerdings darin, daß der erste intelligent und aufnahmebereit, der zweite jedoch eher galant als helle gewesen war.
Im Alter von zweiundsiebzig Jahren hatte der tapfere napoleonische Haudegen in Paris das Zeitliche gesegnet – im Bett.
Daß Clemens ihn mochte, war schon der Tatsache zu entnehmen, daß er de Marbot von dem geheimnisvollen Fremden – dem abtrünnigen Ethiker – erzählt hatte.
An diesem Tag hatte das Schiff angelegt, und Clemens unterhielt sich mit ein paar Freiwilligen, die auf seinem Schiff anheuern wollten. Die schrecklichen Ereignisse, die sich nach dem Ausfall der Gralsteine des rechten Flußufers abgespielt hatten, lagen nun zwei Monate hinter ihnen. Der Fluß hatte sich mittlerweile wieder selbst gereinigt und die verwesenden Leichen waren allesamt verschwunden.
De Marbot, der mit seinem mit leimgestärkten Fischlederstreifen ausgestatteten Duraluminiumhelm und dem aus gleichem Material bestehenden Küraß wie die Volksausgabe eines trojanischen Kriegers aussah, schritt die lange Reihe der Kandidaten ab. Er hatte die Aufgabe, mit den Leuten Vorgespräche zu führen. Auf diese Weise konnte er von vornherein die Spreu vom Weizen trennen und seinem Kapitän Zeit und Arbeit ersparen.
Etwa in der Mitte der Reihe sah er vier Männer, die einander gut zu kennen schienen. Beim ersten von ihnen hielt de Marbot an. Der Mann war ein dunkler Typ mit großen Händen. Seine Hautfarbe und das lockige Haar deuteten darauf hin, daß er ein Viertelneger war. Wie sich herausstellte, hatte de Marbot mit seiner Annahme recht.
Auf seine freundliche Frage hin erklärte der Mann, sein Name sei Thomas Million Turpin. Er war um das Jahr 1873 herum – genau wußte er es nicht – in Georgia zur Welt gekommen, aber seine Eltern hatte es kurz darauf nach St. Louis, Missouri, verschlagen. Im dortigen Rotlichtbezirk hatte sein Vater eine Taverne namens Silver Dollar betrieben. Turpin und sein Bruder Charles hatten in jungen Jahren einen Anteil an der Big Onion Mine in Searchlight, Nebraska, erworben, dortselbst gearbeitet, und waren, als sie zwei Jahre später immer noch nicht auf Gold gestoßen waren, durch den Westen
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