Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Stimmung versetzt hatten.
»Auch du hast Angst«, sagte Sternenlöffel.
»Was?« Burton starrte sie an.
»Du hast dreimal auf Holz geklopft. Auf den Tisch.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Tut mir leid, daß ich dir widersprechen muß, Dick. Aber du hast auf Holz geklopft. Ich würde nicht lügen.«
»Ehrlich?«
Er lachte schallend.
»Was ist daran so komisch für dich?«
Er erklärte es, und sie lächelte. Zum ersten Mal seit Tagen,
dachte er, hat sie ihren leeren Gesichtsausdruck verloren. Naja, wenn er sie aus ihrer Gleichgültigkeit reißen konnte, indem er sich zum Narren machte, sollte es daran nicht scheitern.
»Ich habe dich nicht gefragt, wie es dir geht«, sagte er.
»Mir geht es gut.«
»Ich hoffe, du wirst bald wieder glücklich sein.«
»Ich danke dir.«
Burton erwägte, ihr vorzuschlagen, den Computer sämtliche Erinnerungen an brutale Erlebnisse (besonders die Vergewaltigung) heraussuchen und einfach löschen zu lassen, wie ein Chirurg einen entzündeten Blinddarm entfernte. Wenngleich die Löschung ihrem Gedächtnis viel entnehmen würde, womöglich einige Jahre, wenn man die Dauer aller diesbezüglichen Ereignisse zusammenzählte. Aber sie wäre dann immerhin frei von schmerzlichen Erinnerungen gewesen. Andererseits blieb die gefühlsmäßige Wirkung der Ereignisse bestehen, auch wenn sie selbst verschwunden waren. Der Computer würde nichts daran ändern können. Sternenlöffel wäre dann zwar vielleicht noch von der Liebe abgestoßen, hätte aber nicht mehr die geringste Ahnung, warum.
Der Geist mußte sich selbst heilen, aber er war nur selten ein erfahrener Arzt.
Burton verfluchte Dunaway insgeheim und wünschte, es gäbe eine Hölle, in die er den Mann hätte schicken können.
Sternenlöffel führte eine Gabel voll Forelle an den Mund und kaute, als sie über die tieferliegenden Schloßgärten, den Dschungelfluß und die dahinterliegende Wüste schaute. »Ich will, daß du eine andere Frau wiederbelebst, Dick«, sagte sie, nachdem sie den Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Eine Frau, die sich deiner Bedürfnisse annehmen kann. Eine Frau, die Lachen und Lieben kann. Ich hätte nichts dagegen. Ich hätte nicht nur nichts dagegen, ich würde mich sogar sehr freuen.«
»Nein«, sagte Burton. »Nein. Es ist sehr großzügig von dir - und auch sehr chinesisch. Ich bewundere die Kultur und die Weisheit deines Volkes, aber ich bin kein Chinese.«
»Es ist nicht nur chinesisch. Es entspricht dem gesunden Menschenverstand. Es gibt keinen Grund, weshalb ich - wie hast du neulich noch gesagt? - ein Neid… «
»Ein Neidhammel. Einer, der etwas hat, was er nicht gebrauchen kann, es aber keinem anderen überläßt, weil er selbstsüchtig ist.«
»… ein Neidhammel sein sollte. Ich bin keiner. Bitte, Dick, es würde mich weniger unglücklich machen.«
»Aber ich würde nicht glücklich sein.«
»Wenn es dir peinlich ist, eine andere Frau hier zu haben, bringe sie in einer Wohnung unter und besuche sie. Oder… ich könnte gehen.«
Burton lachte. »Menschen sind keine Androiden«, sagte er. »Ich könnte doch um meines eigenen Vergnügens willen nicht einfach eine Frau wiederbeleben und sie dann einkerkern. Erstens mag sie mich vielleicht nicht. Und zweitens, selbst wenn sie mich mag, wird sie bestimmt die Gesellschaft anderer Menschen genießen wollen. Sie wird frei sein wollen, und keine Odaliske im Käfig.«
Sie griff über den Tisch und legte ihre Hand auf die seine. »Es ist zu schlecht.«
»Was? Das, worüber wir gerade gesprochen haben?«
»Das und viel mehr. Alles.« Sie machte eine Handbewegung, als schlösse sie das gesamte Universum mit ein. »Schlecht. Alles schlecht.«
»Nein, das stimmt nicht. Ein Teil ist schlecht, ein Teil ist gut. Du hast einfach mehr Schlechtes erlebt, als du verdient hättest. Aber du hast Zeit, sehr viel Zeit, um deinen Anteil am Guten zu bekommen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht ich.«
Burton schob seinen noch halbvollen Teller zurück. Ein Androide räumte ihn weg.
»Wenn du willst, bleibe ich und rede mit dir. Ich muß zwar arbeiten, aber du bist mir wichtiger.«
»Ich muß auch arbeiten«, sagte sie.
Er stand auf, ging um den massiven Goldtisch herum zu ihr und küßte sie auf die Wange. Es interessierte ihn, was sie am Computer machte, aber wenn er sie danach fragte, sagte sie stets, es sei uninteressant, sie würde viel lieber von seinen Studien hören.
Doch als sie das Schloß in den bewaffneten Flugstühlen verließen,
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