Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Schokolade kaufte. Bei der nachfolgenden Personenkontrolle stellte ich fest, dass es sich um deutsche Staatsbürger handelte, und nahm sie zur Überprüfung auf den Posten der Bahnhofspolizei mit. Da sie sich aber ordnungsgemäß ausweisen und den Zweck ihres Aufenthalts in Basel (Geschäftsreise im Baugewerbe) einwandfrei darlegen konnten, hatte ich keinen Anlass zu weiteren Überprüfungen.«
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Auf dem Marktplatz regnet es in Strömen. Dorly steht seit zehn Minuten bei der Litfaßsäule unter ihrem Regenschirm und wartet. Endlich kommen Kurt und Waldemar angerannt, quer über den Platz und mit fliegenden Mantelschößen.
»Fräulein Dorly! Gott sei Dank, Sie sind noch da!«
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»Sie waren stark erregt und erklärten, sie seien am Centralbahnhof von der Polizei angehalten, auf den Posten genommen und zur Vorweisung ihrer Reisepässe veranlasst worden. Es sei aber alles in Ordnung befunden worden, man habe sie unbehelligt gelassen. Trotzdem sei es eine peinliche und unangenehme Sache gewesen. Dass sie an jenem Abend Schokolade bei sich hatten, kann ich bestätigen. Sandweg bot mir davon an, ich lehnte aber ab, weil mir Süßes grundsätzlich zuwider ist. Es war, wenn ich mich recht erinnere, eine Nussschokolade von Lindt in blauweißer Verpackung. Velte sagte, sie müssten jetzt so schnell als möglich nach Berlin fahren, um ihre Visa für eine neuerliche Reise nach Spanien einzuholen, wenn möglich noch am selben Abend, sonst am nächsten Morgen in der Früh.«
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Die Züge nach Deutschland gehen nicht vom Centralbahnhof ab, sondern vom Badischen Bahnhof am nördlichen Stadtrand. Waldemar und Kurt drängen sich links und rechts unter Dorlys Schirm. Sie überqueren den Rhein auf der Mittleren Brücke, gehen vorbei an der Klarakirche und geradeaus weiter bis zum Badischen Bahnhof. Waldemar und Dorly setzen sich unter den gewaltigen Bögen der Schalterhalle still auf eine Bank, und Kurt tut geschäftig, notiert Abfahrtszeiten, kauft Fahrscheine und Reiseproviant und wechselt Geld. Ihr Zug fährt am nächsten Morgen um acht Uhr fünfundvierzig.
»Ich wunderte mich, dass Sandweg Fahrkarten nach Köln kaufte, da dies meines Wissens nicht am Weg nach Berlin liegt. Auf meine diesbezügliche Frage sagte mir Velte, sie müssten zuerst nach Hause fahren, da sie fast kein Geld mehr hätten und er dem Vater Bericht erstatten müsse. Weil starker Regen fiel, verblieben wir über 2 Stunden am Badischen Bahnhof in der Eingangshalle. Später begaben wir uns nach der Pension an Sperrstraße 83, wo ich dann ein erstes und einziges Mal mit ihnen aufs Zimmer ging. Sie packten ihre Sachen in die Koffer, und nach etwa 20 Minuten Zimmeraufenthalt entfernten wir uns. Die beiden begleiteten mich auf dem Heimweg; an der Schiffslände aber verabschiedete sich Kurt Sandweg mit Hinweis auf den starken Niederschlag. Velte begleitete mich weiter. Tramfahren wollte er nicht, überhaupt sind wir nie Tram gefahren, sondern immer zu Fuß gegangen, auch bei der größten Kälte, bei Regen und Schnee. Vor der Tür unseres Hauses an der Palmenstraße 23 nahmen wir Abschied, wobei Velte weinen musste. Ich tröstete ihn mit aufmunternden Worten. Zu körperlichen Zärtlichkeiten ist es auch bei dieser Gelegenheit nicht gekommen, auch hat Velte diese nie von mir gefordert. Ich anerbot ihm meinen Regenschirm, er lehnte ab und meinte, er könne mir denselben doch nicht mehr zurückbringen. Ich gab ihm den Rat, den Schirm mitzunehmen und in der Pension zu deponieren, wo ich ihn gelegentlich holen werde. Das hat er dann getan.«
14
Im Morgengrauen hört der Regen auf, und aus den Kanalisationsschächten steigt Nebel. Ein dicker Mann mit Schirm und Melone schnauft durch Kleinbasel, vor ihm her läuft ein hagerer Polizist in Uniform. Das sind Detektivkorporal Jakob Vollenweider und Polizeimann Alfred Nafzger, die von Hotel zu Hotel und von Pension zu Pension ziehen auf der Suche nach den zwei Bankräubern. Vollenweider hat Mühe, mit Nafzger Schritt zu halten. Er ist zwanzig Jahre älter, fünfzig Kilogramm schwerer, hat dreiundzwanzig Dienstjahre mehr auf dem Buckel und leidet an einem Magengeschwür, das ihm in einem Jahr oder zweien den vorzeitigen Ruhestand einbringen soll. Nafzger hingegen steht am Anfang seiner Laufbahn. Er ist gelernter Kellner und hat sich in nur vier Jahren bei der Polizei zum Präsidenten des Basler Polizeimännervereins hochgedient. Bei den letzten Lohnverhandlungen allerdings hat er sich bei den
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