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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Jemand hatte sie überfahren, man konnte noch den
Abdruck der Reifen auf ihrem Fell erkennen. Francis holte eine Plastiktüte aus
der Küche und legte sie hinein. Kurz würgte es ihn, dann grub er mit einer
Schaufel ein Loch in die Erde hinter dem Trailer. Er musste daran denken, wie
er die Katze bekommen hatte, als sie klein und winzig gewesen war, wie sie
sich noch vor ein paar Stunden in ihrer Sprache unterhalten hatten und wie sie
in letzter Zeit nachts auf einem Kissen neben seinem Bett geschlafen hatte,
weil sie beide nicht gern allein waren. Er schüttete das Loch wieder zu und
wischte sich über die Augen. Dann legte er sich auf seine Matratze und rauchte,
bis der Morgen dämmerte.
     
    7
     
    Gähnend kam Francis aus dem Klassenzimmer und reihte
sich in die Massen der Schüler ein, die zur Cafeteria drängten. Während er
sich ein Tablett holte, fiel ihm auf, dass Brad Jennings und seine
Basketballkumpels um einen Mann in Uniform herumstanden, der ihm bekannt
vorkam. Alle gaben ihm die Hand oder klopften ihm auf die Schulter, und endlich
erkannte auch Francis ihn. Es war Brads älterer Bruder.
    Marcus Jennings war an der Schule eine Legende gewesen.
Er hatte lange Haare und einen Bart gehabt, war jeden Tag bekifft zum
Unterricht gekommen, Sänger einer Death-Metal-Band gewesen und zwei Mal
durchgefallen. Alle hatten gemeint, er würde es nie zu etwas bringen. Dann
hatte Marcus auf dem Parkplatz auch noch einem Lehrer ins Gesicht geschlagen
und war dafür von der Schule geflogen. Danach hatte man jahrelang nichts mehr
von ihm gehört, es hieß, er sei jetzt ein Penner oder an Drogen gestorben.
Aber nun stand er hier in seiner Uniform, durchtrainiert und mit kurzen
Haaren, und wurde von allen bewundernd angesehen. Francis hörte, wie jemand
neben ihm sagte, dass Marcus sich gerade verpflichtet habe. Im Grunde fand
Francis das gar nicht so blöd, auch wenn er es nie zugegeben hätte. Neulich
hatte er sich im Internet die Homepage der Army angesehen, man konnte bei
denen wirklich viel verdienen, sie schienen jetzt sogar einen Bonus zu zahlen.
Aus Francis' Sicht war die Rechnung einfach: Er müsste nur ein paar Monate
drüben überleben. Danach könnte er studieren und wäre ein Held oder so etwas.
Und vielleicht würde er sich dann endlich mal nicht so verdammt nutzlos
vorkommen. Er beobachtete noch immer Marcus Jennings. Jetzt erst erkannte er,
dass der sich nicht ganz so wohl fühlte, wie er tat. Alle lachten, aber Marcus
schaute weg, schaute auf einmal zu ihm. Sein Blick wirkte unsicher, fast
ängstlich, und Francis wandte sich schnell ab.
    Den Nachmittag verbrachten Grover und er im Zentrum.
Bei Dashiel's Hall spielten sie Billard, darin war Grover unschlagbar, wie bei
fast allen Spielen für Einzelgänger. Danach aßen sie bei ihm zu Abend. Francis
beobachtete, wie die Chedwicks mit ihrem Sohn sprachen und immer wieder stolz
den Arm um ihn legten. Grover nahm es wie selbstverständlich hin, er schien
nicht zu begreifen, was für ein Glück er hatte. Gelangweilt sprach er von einem
Fotoprojekt für die Schule und stocherte mit der Gabel auf dem Teller herum.
Nach dem Essen schauten sie sich noch eine Folge Malcolm mittendrin an. Als
Grover auf der Toilette war, wollte Francis sich an die Drums setzen, da
entdeckte er den Brief, der auf dem Stuhl lag. Es war ein Schreiben der Uni
Yale. Darin stand kurz und knapp, dass sie Grover Paul Chedwick angenommen
hatten. Es dauerte, bis Francis begriff. Er hielt den Wisch in der Hand und
musste daran denken, wie oft sie darüber geredet hatten, was sie später machen
würden, und dass Grover jedes Mal geschwiegen hatte. Weil er gewusst hatte,
dass er abhauen würde. Und ihm hatte er nichts davon gesagt, dabei war das
Schreiben schon Wochen alt. Im ersten Moment wollte Francis es vor Enttäuschung
zerreißen, doch dann legte er es an seinen Platz zurück. Als Grover von der
Toilette kam, sagte er nichts.
    Dass ihr Bruder nicht mehr lebte, hatte Anne-May ihm
lange verschwiegen. Doch neulich hatte sie Francis von ihm erzählt. Er hieß
Jerome und war vier Jahre jünger als sie gewesen, aber sie wollte ihm nicht
sagen, wie er gestorben war.
    „Ich frage mich nur oft, wie er heute wäre oder wie
er aussehen würde.“ Anne-May hatte auf das Bild ihres Bruders gedeutet, das
auf dem Nachttisch stand. „Damals war Jerome noch ein Kind, jetzt wäre er ein
Teenager, fast ein Mann. Es ist komisch. Durch seinen frühen Tod muss er in den
Vorstellungen der anderen für immer ein

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