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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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war sie wieder eingeknickt. Sie hatte ihn
gebeten, das Zimmer zu verlassen, und die Tür vor seiner Nase geschlossen.
    Ohnehin hatte Francis noch ganz andere Sorgen, denn
inzwischen wusste seine Mutter, dass er das Abschlussjahr nicht schaffen würde.
Sie hatte gemeint, dass er eben wiederholen und sich nächstes Jahr mehr
anstrengen müsse. Und er hatte gesagt, dass ihm die Schule egal sei. Er würde
lieber zum Militär gehen und in den Krieg ziehen, als noch ein weiteres Jahr
auf diese beschissene Claymont High zu gehen. Seine Mutter hatte nicht
begriffen, dass das ein Witz sein sollte, und war ausgerastet.
    Das eigentliche Problem aber war das Geld. Ihre Medikamente
waren teuer, und was Francis verdiente und Ryan an sie zahlen musste, reichte
hinten und vorne nicht. Seine Mutter hatte gemeint, dass inzwischen auch noch
all ihre Ersparnisse aufgebraucht seien und schwere Zeiten auf sie zukämen. „Du
musst endlich ernster und erwachsener werden, Frank!“, hatte sie gesagt. „Und
Krieg? Das ist doch kein Spaß. Wenn du dich wirklich zum Militär meldest,
dann...“
    „Was dann?“
    Seine Mom hatte erst nicht darauf geantwortet. „Verstehst
du nicht? Du kannst etwas Besseres sein als das alles hier. Du darfst dein
Potential nicht so wegwerfen.“
    Francis hatte nur gelacht. „Welches verdammte Potential?“
    Danach war er gegangen. Auf dem Weg nach draußen
hatte ihn Dr. Sheffer abgepasst und gemeint, seine Mutter habe gerade einen
depressiven Schub und würde es morgens wieder kaum aus dem Bett schaffen, es
wäre aber noch kein Grund zur Sorge. Dennoch hatte Francis ein wenig Angst, wie
es jetzt werden würde.
    Als er am Fernsehzimmer vorbeikam, liefen die Nachrichten.
Es gab eine Hurrikanwarnung auf den Bahamas, zudem hatte es im Irak ein Gefecht
mit Terroristen gegeben, drei Tote. Francis stellte sich vor, wie diese
Soldaten in Iowa oder Vermont aufgewachsen und als Kinder mit dem Fahrrad zu
Freunden gefahren waren oder zum ersten Mal mit einem Mädchen getanzt hatten
und dass sie damals wohl nie geglaubt hätten, wo das alles später mal enden
würde. Zum Schluss kam ein Beitrag über den Arbeitslosen, der bei einem
Pokerturnier in Las Vegas gewonnen hatte. 1,4 Millionen! Vorher war er Abschaum
gewesen, jetzt war er gerettet. Las
Vegas, dachte Francis und erinnerte
sich an seinen wiederkehrenden Traum und das Gefühl, am Roulettetisch zu
stehen und zu gewinnen. In diesem Moment hörte er, wie jemand seinen Namen
rief.
    Er ging hinaus auf den Flur, und plötzlich stand
sein kleiner Bruder Nicky vor ihm. „Ich will Mom besuchen“, sagte er als Erstes,
wie immer redete er vor Aufregung etwas zu schnell. „Dad hat mich hergefahren.
Er ist unten im Auto und kommt gleich nach.“
    Francis musste schnauben. Der große Ryan Wilco saß
feige im Wagen und schickte seinen dreizehnjährigen Sohn vor, wieder so ein
Glanzstück. Dann umarmte er Nicky und sagte, dass er wirklich gewachsen sei.
Was aber nicht stimmte. Er war im Vergleich zum letzten Mal, als sie sich
gesehen hatten, sogar eher noch geschrumpft. „Wie geht's?“
    „Ach, ganz gut.“ Das war untertrieben, denn Nicky
führte bis auf die Sache mit seiner Mutter ein sorgenfreies Leben. Er wohnte in
einem kleinen, schönen Haus in Long Island, hatte außergewöhnlich gute Noten
und war beliebt in der Klasse. Francis war immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich
sie waren und wie leicht es seinem kleinen Bruder fiel, sympathisch zu wirken.
Wo er auch hinkam, schienen ihn die Leute zu mögen.
    Sie standen noch immer am Eingang der Station. Nicky
redete ununterbrochen und stellte viele Fragen. Er hatte Angst, die Mutter zu
besuchen. „Dad will übrigens, dass ich mit dem Ringen anfange“, sagte er. „Er
meint, ich könnte es in die Schulmannschaft schaffen und ich würde dadurch
richtig stark werden. Was denkst du?“
    „Weiß nicht“, sagte Francis. „Willst du nicht lieber
Basketball spielen?“
    „Dad sagt, Basketball ist was für große Leute.
Ringen für die Kleinen.“
    „Bullshit. Mich hat er damals auch zum Ringen geschickt.
Allerdings wäre er ein guter Trainer, wenn du tatsächlich ringen willst. Er
hat mir viele Tricks beigebracht.“
    Francis dachte daran, wie sein Stiefvater früher bei
jedem seiner Ringkämpfe gewesen war. Immer, wenn er zu den Zuschauerbänken
geschaut hatte, hatte er Ryan gesehen.
    Wenn er gewonnen hatte, waren sie oft noch zu
McDonald's gegangen oder als besondere Belohnung zu Spielen der Knicks und der
Rangers. Sie

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