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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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ihm.
     
    8
     
    An dem Tag, der sein Leben veränderte, saß Francis
auf den Stufen vor dem Trailer. Es war der Freitag vor den Ferien, und es war
noch früh. In der Kühle des Morgens rauchte er eine Zigarette und beobachtete
seine Nachbarn. Alle wirkten so ernst, so verbittert. Nie
lächelte jemand, als wäre es den Leuten ausgetrieben worden. Er sah den hinkenden
Darius Penn, der den Müll rausbrachte. Amanda Barnes, die hustend die Wäsche
aufhängte. Und die alte Mrs. Filcher auf ihrer Hollywoodschaukel. All diese
verlorenen Gestalten, die nichts zustande brachten, die es nicht in sich hatten,
je etwas Großes zu stemmen. Und plötzlich durchzuckte es Francis. Er würde
einmal so werden wie sie, egal, wie sehr er sich wehrte. Er würde niemals von
hier wegkommen!
    Für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Nein, verdammt. Nein!
    Er schnippte die Zigarette auf die Straße, trottete
in sein Zimmer und packte wie in Trance seinen Rucksack. Doch selbst in der
Schule konnte er an nichts anderes denken.
    In der Pause stand er vor seinem Spind. Lange tat er
nichts und starrte einfach nur auf das graue Blech. Schließlich fing er an,
ein paarmal mit der Faust dagegenzuhauen, ohne groß darüber nachzudenken. Bamm, bamm, bamm. Dann
bemerkte er, dass ein paar Mitschüler komisch schauten, und ging raus auf den
Hof.
    In letzter Zeit spürte Francis, dass da etwas in ihm
heranwuchs. Es gab Momente, in denen er auf einmal etwas kaputtmachen oder
jemanden schlagen wollte. Meistens rannte er dann eine Runde oder hörte laute
Musik. Aber das half immer nur kurz. Da war irgendetwas Fremdes in ihm, und es
wurde immer stärker.
     
    In der Cafeteria sprachen er und Grover über ihre
Ferienpläne. Vor Wochen hatten sie überlegt, mit dem Chevy eine Tour zu
machen, doch da Francis chronisch pleite war, würden sie wohl nur Unreal Tournament spielen
und Filme schauen. Mit ihren Tabletts setzten sie sich an den Tisch am Eingang.
Ihnen gegenüber saßen der behinderte Kevin, der eine Stimme wie der Komiker
Steve Urkel hatte und dauernd paranoides Zeug redete, und der behinderte
Andrew, der tatsächlich behindert war und im Rollstuhl saß, was allen an der
Schule so richtig leidtat, aber wiederum nicht leid genug, um ihn bei sich am
Tisch sitzen zu lassen. Sie unterhielten sich darüber, wie man die
Cinemax-Pornos auch aus dem Internet runterladen konnte. Auf Kevins Laptop war
ein Aufkleber: „9 /11 - Inside Job“. Er war überzeugt, dass die Regierung
selbst für die Anschläge verantwortlich war, das könne man anhand von
Staubpartikeln beweisen. Francis hörte nur halb zu und dachte an die Mathearbeit,
die er vorhin in den Sand gesetzt hatte. Soviel er auch lernte, er verstand es
einfach nicht.
    An den Blicken der anderen erkannte er, dass gerade
etwas Aufregendes passierte. Er drehte sich um und sah, wie ein hübsches
Mädchen die Cafeteria betrat. Ihre Jeans saß eng, und ihr blondes Haar wippte
bei jedem Schritt. Mary Gershon. Sie war eines der beliebtesten Mädchen der
Schule und hatte das gleiche leere Puppengesicht wie Paris Hilton. Francis war
sich sicher, dass er noch vor ein paar Jahren Chancen bei ihr gehabt hätte.
Doch seit er am Stadtrand lebte, Grover sein einzig verbliebener Freund war und
er an diesem Tisch hier saß, konnte er es vergessen.
    Mary stolzierte an ihnen vorbei und blickte
demonstrativ in die andere Richtung. Bis Andrew laut fragte, ob sie mit ihm
auf dem Schulball tanzen wolle. Sie lachte spöttisch und drehte sich zu ihm. „Vergiss
es, du Loser!“ Dann erst sah sie Andrews Rollstuhl und lief rot an. Sie hielt
sich vor Schreck die Hand vor den Mund. „Das tut mir so leid, das wusste ich
nicht!“
    Die nächsten Sekunden stammelte Mary noch weitere
Entschuldigungen vor sich hin, da sie sich wie alle reichen beliebten
Cheerleader-Tussis bestimmt für einen guten, sensiblen Menschen hielt, und nun
musste sie wohl sehr viele Spendengelder für arme Kinder sammeln und noch öfter
beten, um diesen Ausrutscher wiedergutzumachen.
    Als sie weg war, warf Andrew den anderen einen
feixenden Blick zu.
     
    Auf der Station wurde Francis unsicher. Es war zwei
Tage her, dass Anne-May einen kleinen Anfall gehabt hatte. Nach einem weiteren
Besuch ihrer Eltern wollte sie die Klinik sofort verlassen, doch es hatte
geheißen, dass sie noch einige Zeit hierbleiben müsse. Noch mehr Therapiesitzungen,
Tabletten und Kantinenfraß. „Hol mich hier raus!“, hatte sie zu Francis gesagt,
als wären sie Komplizen. Aber dann

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