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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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hatten Allan Houston und Wayne Gretzky angefeuert und riesige
Colabecher gehabt, und verdammt, dachte Francis, vielleicht fehlten ihm diese
Abende und Ryan noch immer.
    Sie gingen zum Zimmer ihrer Mutter. „Geht es Mom eigentlich
besser?“, fragte sein Bruder unterwegs.
    „Ich denke schon. Es geht ihr zumindest wieder gut
genug, um mir Vorwürfe zu machen.“ Er ahmte die quengelnde Stimme ihrer Mutter
nach, und Nicky lachte. Francis musste daran denken, wie viel sie früher
zusammen gemacht hatten, wie sie zelten waren oder wie er seinem kleinen
Bruder einmal weisgemacht hatte, es gäbe auf dem Speicher eine geheime Tür,
die in eine phantastische Welt führte. Und nun standen sie vor einer Tür,
hinter der sich etwas ganz anderes verbarg. Francis blickte auf das Schild
neben dem Zimmer: Katherine A. Dean.
    „Was ist, wollen wir zusammen reingehen?“, fragte
er.
    „Ja, klar... Wobei, warte, ich hol mir noch eine
Coke aus dem Automat.“
    Nicky lief zum Eingang
der Station zurück. Es war sein Instinkt, der ihn schützte und dafür sorgte,
dass er das jetzt nicht mitbekam. Francis hingegen fehlte dieser Instinkt. Er
drückte auf die Türklinke und betrat das Zimmer seiner Mutter. Als Erstes fiel
ihm auf, dass das Bett leer war. Als er sah, was passiert war, stützte er sich
an der Wand ab. Die Kotze, der regungslose Körper seiner Mutter, die Tablettenpackungen.
Er brauchte lange, bis er begriffen hatte. Dann fing er an zu schreien.
    Hilfe kam schnell, das war der Vorteil, wenn so
etwas in einer Klinik passierte. Die Leute vom Rettungsdienst begannen sofort,
seiner Mutter den Magen auszupumpen. Francis stand daneben, unfähig, einen
klaren Gedanken zu fassen. Nur einmal schrie er einer Schwester zu, dass jemand
raus auf den Flur zu Nicky rennen solle, damit er das nicht sah. Als seine
Mutter wieder zu sich kam, war er zwar einen Moment lang wahnsinnig froh, dann
aber erneut wie gelähmt. Seine Mom hustete, würgte, übergab sich noch mal und
wurde dann auf einem fahrbaren Bett in eine andere Station gebracht. Und dann
war der Spuk auch schon vorbei. Es ging alles so schnell, dass es Francis
unwirklich vorkam. Plötzlich fiel ihm ein, wie ihm Anne-May von einer
Mitpatientin erzählt hatte, die mit Medikamenten dealte, und wie er es ihr
nicht geglaubt hatte.
    Das Zimmer war leer, nur der dicke Pfleger Steve kam
rein und wischte den Boden. Er wollte Francis umarmen, aber der wehrte ab.
Steve meinte, dass Nicky draußen auf dem Flur stehe und weine.
    „Ich gehe gleich zu ihm“, sagte Francis. Er wartete,
bis der Pfleger fertiggewischt hatte, dann war er wieder allein im Zimmer. Es
war auf einmal ganz still geworden, die Zeit schien stehengeblieben zu sein.
Auf dem Nachttisch lagen noch immer die Magazine und Zeitungen, die er letzte
Woche mitgebracht hatte. Francis betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Er sah
älter aus, hohlwangig, die dunklen Haare klebten ihm in der Stirn. Er versuchte
sich daran zu erinnern, wie er als Kind ausgesehen hatte, aber es fiel ihm
nicht mehr ein.
    Da entdeckte er den Brief. An eine Blumenvase auf
dem Tisch am Fenster gelehnt stand ein Kuvert. Für Francis. Er ging
wie ferngesteuert darauf zu, es war die Handschrift seiner Mutter. Der Brief
war mehrere Seiten lang, atemlos las er den ersten Satz: „Lieber Frankie, es ist Zeit, dass du die Wahrheit
erfährst.“
    Er überflog die hingekritzelten Zeilen. Als er alles
gelesen hatte, musste er sich setzen. Es war nicht nur der Absatz, in dem
stand, wer sein Vater war. Es war auch der ganze Rest.
     
    New York
     
    1
     
    Einen Tag nach dem Selbstmordversuch seiner Mutter
saß Francis auf einer Bank am Hudson. Er war angespannt, denn er hatte etwas
vor, was ihm eigentlich widerstrebte. Er wollte Ryan Wilco in seiner Kanzlei
besuchen und sich von ihm Geld leihen. Sein Stiefvater hatte es ihm zwar oft angeboten,
aber Francis hatte immer abgelehnt. Und seit Ryan sich an der Börse
verspekuliert hatte, war er längst nicht mehr so großzügig. Das Haus in Long
Island hatte er zwar behalten können, allerdings hatte er dafür einen Kredit
aufnehmen müssen, den er nun monatlich abbezahlte. Doch Francis musste es
einfach bei ihm versuchen. Durch den Brief seiner Mutter wusste er endlich, was
er zu tun hatte, und dafür brauchte er so viel Geld wie möglich.
    Dampf stieg aus den Straßenschächten, alle paar Minuten
ertönten Polizeisirenen, ein Presslufthammer dröhnte. Francis hatte der
lärmenden Stadt den Rücken zugedreht und blickte auf

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