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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Knie.
    Da ging die Tür zu Ryans Büro auf. Sein Blick sagte
alles. Dass seine Sekretärin mit seinem Stiefsohn flirtete, passte ihm
überhaupt nicht. Aber er fing sich sofort wieder. „Frank, schön, dich zu
sehen“, sagte er mit einem Lächeln. „Du kannst reinkommen, ich hab jetzt Zeit.“
    Francis warf noch einen letzten Blick auf Betty,
dann stand er auf und folgte ihm. Beim Betreten des Büros betrachtete er Ryan.
Er musste inzwischen Anfang vierzig sein, der Anzug war elegant, das Haar
akkurat geschnitten, am Handgelenk trug er eine tag Heuer. Dennoch hatte Ryan nicht vergessen, dass er aus
einer armen Familie kam. Er hatte nie ein protziges Auto gefahren, und er hatte
noch immer seine Pro-Bono-Mandate, bei denen er mittellose Menschen umsonst
verteidigte. Das Büro war sauber, kein Fussel Staub auf dem Mobiliar. An den Wänden
hingen zwei Bilder. Das eine war erbsengrün und hatte in der Mitte einen
orangenen Punkt. Es hatte angeblich zwanzig Riesen gekostet und war noch aus
der Zeit, als Ryan wohlhabend gewesen war. Daneben hing ein schwarzes Bild mit
ein paar farbigen Streifen, das sicherlich weniger eingebracht hätte, denn es
war von Ryan selbst. Vor ein paar Jahren - nach seinem Börsendesaster - hatte
er eine Krise gehabt und angefangen zu malen. Damals hatte er auch trotz
seiner Schulden einen Teil seiner Arbeit an Mitarbeiter abgegeben, um sich
mehr um Nicky kümmern zu können. Er war kein schlechter Dad, im Gegenteil, er
konnte sogar ein richtig guter Vater sein, da war Francis sich sicher. Nur eben
nicht für ihn.
    „Du warst lange nicht mehr hier.“ Ryan ging zum Fenster
und deutete auf die Baustelle des Ground Zero. „Der Ausblick hat sich in den
letzten Jahren ein bisschen verändert.“
    Dabei zog er das Jackett aus. Sein Hemd spannte noch
immer an den Oberarmen, er war drahtig und fit wie eh und je. Obwohl er nur
eins siebzig groß war, hätte Francis sich nicht mit ihm messen wollen. Als
Jugendlicher war Ryan einer der besten Ringer New Jerseys gewesen, seine Spezialität
waren Schultersiege. Nie würde Francis vergessen, wie er das erste Mal nach
einem Training Ryans nackten Rücken gesehen hatte. Er hatte diese unglaubliche
Muskulatur, die man nur bekam, wenn man jahrelang wie besessen trainierte.
Seit er das gesehen hatte, hatte Francis Respekt vor Ryan, und daran hatten
auch die letzten Jahre nichts geändert.
    Auf der Fensterbank lag die neueste Ausgabe des Econo mist, daneben standen gerahmte Fotos. Die meisten zeigten
Nicky. Beim Basketballspielen, im Garten, mit einem Eis in der Hand, oder auf
einem Springsteen-Konzert. Früher hatten da auch Fotos von Francis gestanden,
jetzt waren sie durch Bilder von einem Golden Retriever ersetzt worden,
vermutlich der neue Familienhund.
    Sie setzten sich. Ryan lehnte sich zu ihm vor, seine
Hand lag auf dem Tisch. „Hör mal, Frankie“, sagte er. Seit Jahren hatte er ihn
nicht mehr Frankie genannt. „Das mit deiner Mutter tut mir wirklich sehr leid.
Ich konnte gestern kein Auge zutun. Muss schlimm für dich gewesen sein.“
    „Seit wann machst du dir denn über so was Gedanken?“
    Francis hatte nicht so schroff antworten wollen, es
war ihm herausgerutscht. Plötzlich fiel ihm wieder das patentierte
Ryan-Wilco-Punktesystem ein, bei dem es für gute Noten in der Schule Punkte
gegeben hatte, die man dann gegen cds , Kinogutscheine oder mehr Taschengeld hatte eintauschen
können. Er musste daran denken, wie gut er und Ryan sich früher verstanden
hatten, und auf einmal tat es ihm wahnsinnig leid, ihn so angeblafft zu haben.
Er wollte etwas Nettes sagen, aber dafür war es zu spät. Ryan hatte sich
bereits zurückgelehnt und die Hand auf dem Tisch wieder weggezogen. „Wieso bist
du nach all den Jahren hierhergekommen?“, fragte er. „Nicky hat mir gesagt, du
wolltest mich unbedingt sprechen.“
    Francis wich seinem forschenden Blick aus. „Ich
brauche Geld“, sagte er gepresst.
    „Geld für was?“
    „Kann ich dir nicht sagen.“
    „Nun, dann kann ich dir leider auch nichts geben.“
    „Aber du hast immer versprochen, dass du mir welches
gibst, wenn ich frage.“
    „Das war früher. Die letzten Jahre habe ich zusehen
müssen, wie du deine Lebensverweigerung perfektioniert hast, da muss ich schon
nachfragen.“
    „Ich brauche das Geld für Mom. Ihre Klinikkosten
sind ...“
    „Lügner“, sagte Ryan. „Ich zahle noch immer die
Klinikkosten von Katherine, das weißt du. Also, wofür brauchst du es wirklich?“
    „Für eine

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