Fast genial
Medikamente
nicht mehr genommen und war durchgedreht. Sein Zimmer lag direkt neben der
Küche, und es hatte nach den Bratkartoffeln mit Zwiebeln gerochen, die es zum
Mittagessen gegeben hatte. Auf einmal war seine Mutter reingekommen und hatte
gesagt, er allein sei schuld an der Trennung von Ryan, und nichts könne er
richtig machen. Francis hatte ihre Beschimpfungen wortlos über sich ergehen
lassen und dabei den Tennisball gegen die Wand geschmissen, immer wieder, bis
sein Mund zu zucken begann.
In Chicago gab es den ersten Streit - mit Grover.
Anne-May war allein einkaufen gegangen, und sie hatten über sie geredet. Erst
im Spaß, aber dann merkte Francis, dass Grover eifersüchtig war. Schließlich
hatte er ihn am Morgen bei Anne-May im Bett liegen sehen. Francis meinte, er
solle sich nicht so haben, Grover wiederum warf ihm vor, nur ihre Schwäche
auszunutzen. Ihr Streit wurde heftiger.
„Versuch's ruhig bei ihr, du hast eh keine Chance“,
sagte Francis am Ende. Dieser Satz tat ihm bald leid. Vielleicht sollte er sich
bei ihm entschuldigen, aber wenn er ehrlich war, freute er sich, dass es doch
noch etwas gab, worin er besser war. Früher hatte Grover oft zu ihm
aufgeschaut, aber in den letzten Jahren hatte er miterlebt, wie sein Freund aus
seiner Nachbarschaft wegziehen musste, in der Schule einbrach und im Ringen
eine Niederlage nach der nächsten kassierte. Francis ahnte schon länger, dass
ihre Wege sich trennen würden. Grover würde in Yale studieren, promovieren und
ein angesehener Informatiker werden. Er würde in eine andere Stadt ziehen,
erfolgreich und reich werden, eine Familie gründen und Kinder haben. Und dann
würde er sich nur noch selten an den großen Jungen erinnern, mit dem er früher
zur Schule gegangen war (wie hieß der noch, Franklin? Nein, Francis). Und er
würde sich fragen, was dieser Francis wohl machte und ob er noch in diesem Kaff
lebte, bis er ihn dann eines Tages ganz vergessen hatte.
Doch noch ist es nicht so weit, dachte Francis, noch
bin ich hier!
Abends fuhren sie weiter. Grover hatte sich in der
Stadt neu eingekleidet, war allerdings offenbar farbenblind. Er trug eine
gelbbraune Cordhose, beige Timberlands, ein modisches rotes Hemd, einen Gürtel
mit Silberschnalle und ein schwarzes Jackett mit lila Kragen. Dazu noch die
Hornbrille. Bestimmt wollte er mit diesem Aufzug Anne-May beeindrucken, doch
der Schuss war nach hinten losgegangen. Grover wirkte wie ein Streberclown
oder ein psychopathischer Kanarienvogel.
Sie übernachteten in einem Motel 6. Aus einem Freedom
Liquor hatte Francis zwei Sixpacks Coors, eine Flasehe Wodka und einen
Butterfinger für Anne-May besorgt. Beim Bezahlen war er nervös gewesen, doch
der Kassierer hatte nur flüchtig auf den gefälschten Ausweis geblickt. Im
Zimmer empfing man ihn mit lautem Jubel. Francis reckte die Tüte mit dem
Alkohol in die Luft, als wäre sie die Super-Bowl-Trophäe. Die anderen wollten
ihm ihren Anteil zahlen, doch er winkte ab. „Geht aufs Haus“, sagte er und genoss
es, wie sie ihre Geldbeutel wieder einsteckten und sich bei ihm bedankten.
Sie fingen an zu trinken, und während sie auf der
Fahrt meist geschwiegen hatten, redeten nun alle drei durcheinander. Nachdem
sie das erste Sixpack und die Hälfte der Wodkaflasche geleert hatten, schlichen
sie sich zum Indoor Pool des Hotels. Da sie keine Badesachen dabeihatten,
sprangen sie nackt ins Wasser. Kaum waren sie im Becken, fiel ihnen ein, dass
sie den Alkohol am Eingang hatten stehen lassen. Grover schwamm quer durch den
Pool, und in flinken, etwas unsicheren Bewegungen tapste er zum Bier. Als er
sich umdrehte, konnten die anderen seinen riesigen Schwanz sehen. Selbst Leute
wie Brad Jennings hielten für ein paar Minuten neidvoll die Klappe, wenn sie
mit Grover nach dem Sport unter der Dusche standen. Francis schaute zu
Anne-May. Sie war offensichtlich beeindruckt und beobachtete, wie Grover um
den Pool herumlief und neben ihr ins Becken sprang. Zwar lachte sie, als
Francis ihr den Mund zuklappte, dennoch störte es ihn.
In dieser Nacht schien alles möglich. Mehr als
tausend Meilen von zu Hause entfernt berauschten sie sich an ihrer Freiheit.
Zurück im Zimmer, machten sie den Fernseher an und stellten einen Musiksender
ein. Anne-May und Francis wollten Grover dazu bringen zu tanzen. Als der
zögerte, fasste ihn Anne-May am Arm. „Wieso bist du immer so still? Geh doch
mal aus dir raus!“
„Ich ... Ich weiß nicht. Es sieht bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher