Fast geschenkt
Lächeln hält immer noch an, als er schon aufgelegt hat. Doch dieses Mal kann ich die Tränen nicht unterdrücken. Sie schießen mir in die Augen, laufen mir eine nach der anderen die Wangen herunter und ruinieren mein perfektes Makeup.
Ich verbringe mehrere Stunden allein im Hotelzimmer. Es wird Mittag, aber ich habe keinen Appetit. Das einzig Sinnvolle, das ich tue, besteht darin, unsere Nachrichten abzuhören und zu löschen - bis auf eine von meiner Mutter. Die höre ich mir immer wieder an. Sie muss sie hinterlassen haben, kurz nachdem sie die Daily World gelesen hatte.
»Also«, sagt sie. »Hier ist ein bisschen was los wegen so einem albernen Artikel in der Zeitung. Am besten, du beachtest ihn gar nicht, Becky. Denk dran: Morgen landet das Foto in Millionen von Hundekörben.«
Aus irgendeinem Grund bringt mich das jedes Mal wieder zum Lachen. Ich sitze also mit einem lachenden und einem weinenden Auge hier und lasse Träne um Träne auf meinen neuen Barneys-Rock tropfen.
O Gott, ich will nach Hause. Ich sitze Ewigkeiten auf dem Boden, wiege mich vor und zurück und lasse meine Gedanken kreisen. Um immer die gleichen Fragen: Wie konnte ich nur so blöd sein? Was soll ich jetzt bloß tun? Wie kann ich je wieder irgend jemandem unter die Augen treten?
Ich fühle mich, als wäre ich seit meiner Ankunft in New York nur Berg-und-Tal-Bahn gefahren. Oder Achterbahn. Eins von den verrückten Dingern im Disneyland. Nur bin ich nicht durch das All gesaust, sondern durch Läden und Hotels und Interviews und Lunches, bei denen ich nur Glitzer und Glimmer gesehen und Stimmen gehört habe, die mir erzählten, ich würde ganz groß rauskommen.
Und ich hatte keine Ahnung, dass das alles nicht wahr war. Ich habe alles geglaubt.
Als ich endlich, endlich höre, wie die Tür aufgeht, wird mir fast schlecht vor Erleichterung. Am allerliebsten würde ich mich Luke in die Arme schmeißen, in Tränen ausbrechen und mir von ihm sagen lassen, dass alles wieder gut wird. Aber als er hereinkommt, spüre ich, wie sich mein ganzer Körper vor Angst zusammenzieht. Lukes Gesicht wirkt hart und angespannt - es sieht aus wie in Stein gemeißelt.
»Hi«, sage ich schließlich. »Ich... Ich habe mich schon gewundert, wo du bleibst.«
»Ich war mit Michael Mittag essen«, informiert Luke mich knapp. »Nach dem Meeting.« Er zieht den Mantel aus und hängt ihn sorgfältig auf einen Bügel, wobei ich ihn ängstlich beobachte.
»Und...?« Ich wage es kaum zu fragen. »Ist es gut gelaufen?«
»Nein, nicht besonders.«
Mein Magen verkrampft sich. Was heißt das? Doch wohl nicht... das heißt doch nicht...
»Ist der Deal... gescheitert?«, bringe ich endlich hervor.
»Gute Frage«, sagt Luke. »Die Leute von JD Slade sagen, sie brauchen mehr Zeit.«
»Wozu?« Ich befeuchte meine trockenen Lippen.
»Sie haben ein paar Vorbehalte«, sagt Luke monoton. »Aber sie haben uns nicht verraten, wie diese Vorbehalte aussehen.«
Er reißt sich mit einem Ruck die Krawatte vom Hals und fängt an, sich das Hemd aufzuknöpfen. Er sieht mich nicht einmal an. Als könnte er meinen Anblick nicht ertragen.
»Meinst du...« Ich schlucke. »Meinst du, sie haben den Artikel gesehen?«
»Das meine ich in der Tat.« Luke klingt so verärgert, dass ich zusammenzucke. »Ich bin sogar ziemlich sicher, dass sie ihn gesehen haben.«
Er fummelt an seinem letzten Knopf herum. Dann auf einmal reißt er ihn wütend ab.
»Luke«, sage ich etwas hilflos. »Ich... Es tut mir Leid. Ich... ich weiß nicht, was ich tun soll.« Ich atme tief durch. »Ich tue alles, was ich kann.«
»Es gibt nichts zu tun«, sagt Luke nüchtern.
Er geht ins Badezimmer und kurze Zeit später höre ich die Dusche rauschen. Ich rühre mich nicht. Ich kann nicht einmal mehr denken. Ich bin wie gelähmt, als würde ich an einem Abgrund herumkriechen und höllisch aufpassen, nicht auszurutschen.
Als Luke wieder aus dem Bad kommt, zieht er sich, ohne mich überhaupt zu beachten, eine schwarze Jeans und einen schwarzen Rollkragenpulli an. Dann schenkt er sich einen Drink ein. Schweigen. Durch unser Fenster kann ich quer über Manhattan gucken. Es fängt an zu dämmern und überall gehen Lichter an. Aber meine Welt beschränkt sich auf dieses Zimmer, auf diese vier Wände. Mir fällt auf, dass ich den ganzen Tag nicht draußen war.
»Aus meinen Probeaufnahmen ist auch nichts geworden«, sage ich schließlich.
»Ach ja?« Lukes Stimme klingt sachlich und desinteressiert. Ich kann mir nicht
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