Fast geschenkt
eine Herde Schafe. Wenn das eine scheut, scheuen alle.«
»Ich habe das Gefühl, alles zerstört zu haben.« Ich merke, wie sich mir schon wieder die Kehle zuschnürt. »Ich hätte diesen Wahnsinnsjob haben können, und Luke hätte auch tierischen Erfolg gehabt. Es hätte alles so schön sein können. Und ich habe es vermasselt. Total vermasselt. Ich allein.«
Oh mein Gott, jetzt laufen mir Tränen über die Wangen. Ich kann nichts dagegen machen. Und dann schluchze ich auf einmal laut auf. Oh, ist das peinlich.
»Tut mir Leid«, flüstere ich. »Ich bin eine einzige Katastrophe.«
Ich verberge mein Gesicht in den Händen und hoffe, dass Michael Ellis so viel Takt besitzt, sich jetzt diskret zu entfernen und mich allein zu lassen. Aber stattdessen spüre ich eine Hand auf meiner und wie mir ein Taschentuch zwischen die Finger gedrückt wird. Dankbar wische ich mir mit der kühlen Baumwolle das Gesicht ab und hebe schließlich wieder den Kopf.
»Danke«, piepse ich. »Tut mir Leid.«
»Schon okay«, sagt Michael ganz ruhig. »Mir würde es nicht anders gehen.«
»Ja ja«, brummle ich.
»Sie sollten mich mal sehen, wenn ein Vertrag platzt. Da heule ich mir die Augen aus dem Kopf. Meine Sekretärin muss alle halbe Stunde los und Kleenex kaufen.« Er erzählt das so trocken, dass ich unwillkürlich ein bisschen lächle. »So, und jetzt trinken Sie Ihren Brandy«, sagt er, »und dann wollen wir mal ein paar Dinge gerade rücken. Haben Sie die Daily World darum geben, mit Teleobjektiv Fotos von Ihnen zu machen?«
»Nein.«
»Haben Sie die Daily World angerufen und eine Exklusiv-Reportage über Ihre Einkaufsgewohnheiten angeboten? Haben Sie denen eine Auswahl beleidigender Überschriften vorgelegt?«
»Nein.« Jetzt muss ich sogar ein bisschen kichern.
»Also.« Er sieht mich fragend an. »Hätten Sie jetzt mit Ja geantwortet, wäre das alles vielleicht Ihre Schuld gewesen, aber...«
»Ich war naiv. Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte es... kommen sehen sollen. Ich war dumm.«
»Sie hatten Pech.« Er zuckt mit den Schultern. »Vielleicht waren Sie ein bisschen leichtsinnig. Aber Sie können doch nicht die ganze Schuld auf sich nehmen.«
Aus seiner Tasche erklingt ein Piepen und er holt sein Handy hervor.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagt er und wendet sich ab. »Ja bitte?«
Während er leise telefoniert, zerknautsche ich einen Papieruntersetzer. Ich möchte Michael etwas fragen - aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort hören möchte.
»Tut mir Leid«, entschuldigt Michael sich und steckt das Telefon weg. Sein Blick fällt auf den misshandelten Untersetzer. »Geht‘s jetzt besser?«
»Michael...« Ich atme tief durch. »Ist es meine Schuld, dass aus dem Deal nichts geworden ist? Ich meine, hat die Sache mit der Daily World das beeinflusst?«
Er sieht mich ungewöhnlich ernst an. »Soll ich ganz ehrlich sein?«
»Ja.« Ich befürchte das Schlimmste. »Ganz ehrlich.«
»Gut, also offen gestanden kann ich nicht gerade behaupten, dass es der Sache gedient hat«, sagt Michael. »Es sind da so einige... Bemerkungen gemacht worden heute Vormittag. Wahnsinnig komische Witze. Haha. Und eins muss ich Luke lassen: Er ist erstaunlich gut damit umgegangen.«
Ich starre ihn an. Mir ist kalt.
»Das hat er mir gar nicht erzählt.«
Michael zuckt mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass er sonderlich erpicht darauf war, diese Bemerkungen zu wiederholen.«
»Also war es doch meine Schuld.«
»M-m.« Michael schüttelt den Kopf. »Das habe ich nicht gesagt.« Er lehnt sich zurück. »Becky, wenn dieser Deal auf festen Beinen gestanden hätte, hätte ihn auch ein bisschen negative Publicity nicht aus dem Gleichgewicht bringen können. Ich glaube vielmehr, dass JD Slade Ihr kleines... Missgeschick als Ausrede benutzt hat. Und dass ein anderer Grund dahinter steckt, den man uns nicht verrät.«
»Was für ein Grund?«
»Wer weiß? Die Gerüchte über die Bank of London? Differenzen hinsichtlich des Geschäftsethos? Aus irgendeinem Grund hat JD Slade das Vertrauen in diesen Deal verloren.«
Ich sehe ihn an und erinnere mich an das, was Luke gesagt hat.
»Glaubt man hier wirklich, dass Luke nachlässt?«
»Luke ist ein sehr talentierter Mensch«, sagt Michael vorsichtig. »Aber von diesem Deal ist er geradezu besessen. Er ist zu ehrgeizig. Ich habe ihm heute Vormittag gesagt, dass er Prioritäten setzen muss. Und offensichtlich stimmt irgendetwas mit der Bank of London nicht. Er sollte mit den
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