Fast geschenkt
Martin dir gesagt, dass sie mir nicht glauben?«
»Nein.« Mum hebt trotzig das Kinn. »Das würden sie niemals wagen.«
»Aber hinter unserem Rücken sagen sie es?«
Wir sehen uns unverwandt an, und auf einmal erkenne ich die extreme Anspannung hinter Mums fröhlicher Fassade. Mit einem Schlag wird mir bewusst, wie sehr sie gehofft haben muss, dass ich zusammen mit Luke in seinem schicken Wagen vorfahre. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als Janice zu beweisen, dass sie sich getäuscht hat und ich keine Lügnerin bin. Und was passiert? Ich bin wieder mal allein hier aufgetaucht...
»Er kommt schon noch«, versuche ich uns beide zu beruhigen. »Er muss jede Minute hier sein.«
»Ja, natürlich!«, sagt Mum betont fröhlich. »Und sobald er da ist, müssen die anderen alles zurücknehmen, was sie gesagt haben!«
Es klingelt an der Haustür, und wir glotzen uns beide angespannt an.
»Ich mach schon auf«, sage ich so lässig wie möglich.
»Ja, gerne«, sagt Mum mit einem Schimmer der Hoffnung in den Augen.
Ich eile so schnell es geht ohne zu rennen die Treppe hinunter, reiße unbekümmert die Tür auf und... es ist nicht Luke.
Es ist ein über und über mit Blumen beladener Mann. Blumen in Körben, ein Blumenstrauß, diverse flache Schachteln.
»Hochzeitsblumen«, sagt er. »Wohin möchten Sie sie haben?«
»Oh«, sage ich, bemüht, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Ahm, falsche Hausnummer, tut mir Leid. Die sind für unsere Nachbarn, Nummer 41.«
»Tatsächlich?« Der Mann runzelt die Stirn. »Das muss ich mal eben auf meiner Liste überprüfen.... Würden Sie die mal eben halten, bitte?«
Er drückt mir den Brautstrauß in die Hand und durchwühlt seine Taschen.
»Wirklich«, sage ich. »Glauben Sie mir, die sind für unsere Nachbarn. Warten Sie, ich hole eben meine -«
Ich drehe mich mit Lucys Brautstrauß in beiden Händen (er ist ziemlich schwer) um, und zu meinem Entsetzen erreicht Angela Harrison im selben Moment den Fuß der Treppe. Sie starrt mich mit einem Blick an, dass ich einen Moment lang glaube, sie bringt mich gleich um.
»Was machen Sie da?«, herrscht sie mich an. »Geben Sie her!« Sie reißt mir den Strauß aus der Hand und stellt sich dann so dicht vor mich, dass ich ihre Ginfahne riechen kann. »Und jetzt hören Sie mir mal gut zu, mein Fräulein«, zischt sie. »Mich können Sie mit ihrem falschen Lächeln nicht blenden. Ich weiß, was Sie vorhaben. Und ich rate Ihnen: Vergessen Sie es! Ich werde nicht zulassen, dass die Hochzeit meiner Tochter von irgendeiner eifersüchtigen Geistesgestörten ruiniert wird!«
»Ich bin nicht geistesgestört!«, widerspreche ich wütend. »Und ich werde auch nichts ruinieren, und eifersüchtig bin ich schon gar nicht! Ich will nichts von Tom! Ich habe einen Freund!«
»Ach ja«, sagt sie und verschränkt die Arme. »Der berühmte Freund. Ist er schon da?«
»Nein, ist er nicht«, sage ich und zucke zusammen, als ich ihren Gesichtsausdruck sehe. »Aber er... er hat gerade angerufen.«
»Er hat gerade angerufen«, wiederholt Angela spöttisch. »Um zu sagen, dass er es leider doch nicht mehr schafft?«
Warum glauben die alle nicht, dass Luke kommt?
»Um zu sagen, dass er in einer halben Stunde hier ist«, höre ich mich trotzig sagen.
»Schön«, sagt Angela Harrison und lächelt mich fies an. »Na, dann - werden wir ihn ja bald sehen, nicht?«
So ein Mist.
Um zwölf Uhr ist Luke immer noch nicht da. Ich stehe völlig neben mir. Das ist ein Albtraum. Wo ist er denn bloß? Ich hänge bis zur letzten Sekunde vor der Kirche herum, wähle immer wieder verzweifelt seine Nummer und hoffe so sehr, ihn die Straße entlangrennen zu sehen. Aber die Brautjungfern sind schon da, jetzt kommt noch ein Rolls Royce - und von Luke keine Spur. Die Wagentür öffnet sich und als ich einen Zipfel Brautkleid erhasche, ziehe ich mich ganz schnell in die Kirche zurück, damit niemand auf die Idee kommt, ich würde draußen warten, um den Einzug der Braut zu stören.
Ich schleiche mich im Schutz der Orgelmusik hinein. Angela Harrison wirft mir finstere Blicke zu, und auf der Brautseite der Kirche wird mächtig gezischelt und getuschelt. Ich setze mich ziemlich weit nach hinten und bemühe mich, beherrscht und ruhig zu bleiben - aber mir ist sehr wohl bewusst, dass Lucys Gefolge mich verstohlen beobachtet. Was zum Teufel hat sie denen eigentlich erzählt? Am liebsten würde ich einfach aufstehen und rausgehen. Ich wollte sowieso nie zu
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