Fast geschenkt
dieser dämlichen Hochzeit kommen. Ich bin nur hier, weil ich Janice und Martin nicht kränken wollte. Aber jetzt ist es zu spät, der Organist spielt die Einzugsmelodie und Lucy taucht in der Tür auf. Eins muss ich ihr lassen: Sie trägt das umwerfendste Kleid, das ich je gesehen habe. Sehnsuchtsvoll blicke ich ihr nach und versuche nicht, mir vorzustellen, wie ich in so einem Kleid aussehen würde.
Die Musik verstummt und der Pfarrer fängt an zu reden. Die Gäste auf Lucys Seite sehen immer noch ab und zu böse zu mir herüber - aber ich rücke nur meinen Hut zurecht, hebe das Kinn und ignoriere sie.
»... um diesen Mann und diese Frau in den heiligen Stand der Ehe...«, rezitiert der Pfarrer.
Die Brautjungfern haben richtig schöne Schuhe an, fällt mir auf. Wo die wohl her sind?
Die Kleider dagegen... eine Schande. »Sollte einer der Anwesenden berechtigte Einwände gegen diese eheliche Verbindung haben, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.«
Das ist der Augenblick, den ich am meisten liebe. Da setzen sich alle förmlich auf ihre Hände, als hätten sie Angst, aus Versehen für einen Van Gogh zu bieten. Neugierig wie ich bin, sehe ich mich in der Kirche um, ob jemand etwas sagen will. Zu meinem Entsetzen hat Angela Harrison sich auf ihrem Sitz umgedreht und wirft mir wieder böse Blicke zu. Was hat die denn bloß?
Jetzt drehen sich noch mehr Köpfe auf der Brautseite nach mir um - selbst eine Frau mit großem blauen Hut in der ersten Reihe!
»Was ist?«, zische ich sie sauer an. »Was?«
»Wie?« Der Pfarrer legt die Hand hinter das Ohr. »Hat jemand etwas gesagt?«
»Ja!«, sagt die Frau mit dem blauen Hut und zeigt auf mich. »Die da!«
Was?
O Gott. Nein. Bitte, nein. Jetzt dreht sich die ganze Kirche nach mir um. Das darf doch nicht wahr sein! Das glaube ich einfach nicht! Jetzt glotzt sogar Tom mich an und schüttelt mitleidig den Kopf.
»Ich habe nicht... ich habe nicht...«, stammle ich. »Ich meinte nur...«
»Würden Sie bitte aufstehen?«, fordert der Pfarrer mich auf. »Ich bin etwas schwerhörig, wenn Sie also etwas zu sagen haben...«
»Wirklich, ich -«
»Nun stehen Sie schon auf!«, fährt mich meine Sitznachbarin an und rammt mir den Gottesdienstplan in die Seite.
Wie in Zeitlupe stehe ich auf. Zweihundert Augenpaare sind auf mich gerichtet wie Laserkanonen. Ich weiß nicht, wo ich hingucken soll. Zu Tom und Lucy geht nicht, und zu Mum und Dad geht auch nicht. So etwas Peinliches ist mir im Leben noch nicht passiert.
»Ich habe nichts zu sagen! Wirklich! Ich habe nur...« In meiner Not halte ich mein Handy hoch. »Mein Handy. Es war mein Handy. Ich dachte, es hätte... Tut mir Leid. Bitte, machen Sie einfach weiter.«
Mit zitternden Knien lasse ich mich wieder auf die Bank sinken. In der Kirche herrscht Schweigen. Nach und nachdreht sich die Gemeinde wieder nach vorne und die gespannte Atmosphäre lässt nach. Der Pfarrer räuspert sich und fängt an, die Trauformel zu sprechen.
Der Rest des Gottesdienstes rauscht reichlich verschwommen an mir vorüber. Als alles überstanden ist, schreiten Tom und Lucy hinaus, wobei sie mich geflissentlich übersehen. Vor der Kirche versammelt sich die Gästeschar um sie herum, schmeißt mit Konfetti und macht Fotos. Ich stehle mich unbemerkt davon und eile wie von Sinnen die Straße hinauf zum Haus der Websters. Denn jetzt muss Luke ja da sein. Er muss. Er hat sich bestimmt verspätet und beschlossen, nicht mehr zur Kirche zu kommen, sondern direkt zum Empfang zu gehen. Klar wie Kloßbrühe, wenn man erst darüber nachdenkt. Das war das Vernünftigste, was er tun konnte. Würde doch jeder machen.
Ich stürze durch Websters Haus, in dem es vor Catering-Leuten und Kellnerinnen nur so wimmelt, und steuere auf direktem Wege das Festzelt an. Der Gedanke daran, Luke jetzt zu sehen und ihm von der peinlichen Situation in der Kirche zu erzählen, ihn lachen zu hören, zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht -
Aber das Zelt ist leer. Absolut leer.
Völlig verdattert stehe ich da - doch nach einigen Sekunden fasse ich mich wieder, verlasse schnell das Zelt und mache mich auf den Weg zu meinem Elternhaus. Vielleicht ist Luke ja dahin gegangen, fällt mir plötzlich ein. Vielleicht hat er sich in der Zeit geirrt oder vielleicht musste er sich noch umziehen. Oder vielleicht -
Aber da ist er auch nicht. Nicht in der Küche, nicht oben. Und als ich seine Handynummer wähle, lande ich sofort in seiner Mailbox.
Ich schleppe mich in mein
Weitere Kostenlose Bücher