Fast geschenkt
klitzekleine Notiz. Nicht der Rede wert. Würde ich mir an deiner Stelle gar nicht erst ansehen. Weißt du was - schmeiß die Daily World am besten weg. Wirklich. Ist das Beste, das du tun kannst. Weg damit. Ohne überhaupt reinzugucken.«
»Das hört sich ja nicht so gut an«, sage ich ängstlich. »Sehen meine Beine richtig fett aus oder so was?«
»Nein nein, gar nichts!«, winkt Suze ab. »Wirklich nichts! Und - warst du schon im Rockefeller Center‘ Soll ganz toll sein! Oder bei F.A.O. Schwarz? Oder...«
»Suze, halt mal kurz die Luft an-. unterbreche ich sie. »Ich hole jetzt die Daily World rein. Und dann rufe ich dich wieder an.«
»Okay, Bex, aber bitte, du darfst eins nicht vergessen«, beeilt Suze sich zu sagen. »Die Daily World liest sowieso kein Mensch. Du weißt schon, drei Leute vielleicht. Und morgen werden Fish and Chips drin verkauft. Und du weißt genauso gut wie ich, dass in den Zeitungen nur Lügen stehen...«
»Gut«, sage ich und versuche, ruhig zu bleiben. »Ich werde dran denken. Und jetzt mach dir mal keine Sorgen, Suze. Ich lasse mich so leicht nicht aus der Fassung bringen.«
Doch als ich auflege, zittert meine Hand. Was zum Himmel haben die denn über mich geschrieben? Ich eile zur Tür, schnappe mir den Zeitungsstapel und schleppe ihn zum Bett. Ich ziehe die Daily World aus dem Stapel und fange fieberhaft an, sie durchzublättern. Eine Seite nach der anderen... aber da ist nichts. Ich fange noch mal ganz vorn an und blättere etwas langsamer, während ich aufmerksam alle kleinen Kästchen ansehe - aber da ist keine Rede von mir. Etwas ratlos lege mich zurück in die Kissen. Was hat Suze denn bloß gemeint? Warum war sie denn bloß so -
Da fällt mein Blick auf die Doppelseite aus der Mitte der Zeitung. Sie liegt einzeln und noch zusammengefaltet auf dem Bett - wahrscheinlich ist sie mir vorhin in der Hektik herausgerutscht. Ganz langsam strecke ich meine Hand danach aus. Ich schlage die Doppelseite auf. Und fühle mich, als hätte mir jemand in den Bauch geboxt.
Da ist ein Bild von mir. Ein Foto, das ich nicht kenne -nicht besonders schmeichelhaft. Ich laufe durch irgendeine Straße... eine Straße in New York, wird mir mit Schrecken bewusst. Und ich habe massenweise Einkaufstüten in der Hand. Und da ist ein Bild von Luke mit einem Kreis darum. Und ein kleines Bild von Suze. Und die Überschrift lautet...
O Gott. Nein, das bringe ich nicht über die Lippen. Das kann ich Ihnen einfach nicht sagen. Das ist... das ist ja schrecklich!
Ein riesengroßer, über die doppelte Mittelseite aufgemachter Artikel. Während ich ihn lese, klopft mein Herz immer schneller. Mir wird heiß und kalt. Das ist so gemein. Das ist so... unterhalb der Gürtellinie. Ich lese die Hälfte des Artikels, dann kann ich nicht mehr. Ich schlage die Zeitung zu und starre fassungslos in die Luft. Ich glaube, ich muss mich übergeben.
Doch kurz darauf schlage ich die Zeitung mit zitternden Händen wieder auf. Ich muss ganz genau lesen, was die geschrieben haben. Jedes einzelne, demütigende Wort.
Als ich fertig gelesen habe, bin ich völlig benommen. Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert. Diese Zeitung ist bereits mehrere Millionen Mal gedruckt worden. Es ist zu spät, ich kann nichts mehr dagegen unternehmen. Und in Großbritannien, wird mir auf einmal bewusst, liegt die Daily World schon seit Stunden in den Kiosken. Meine Eltern haben sie bestimmt bereits gelesen. Jeder, den ich kenne, hat sie schon gelesen. Ich bin ohnmächtig. Mir sind die Hände gebunden.
Das Telefon schrillt und ich zucke panisch zusammen. Dann klingelt es noch einmal und ich sehe es entsetzt an. Ich kann nicht drangehen. Ich kann mit niemandem sprechen. Nicht einmal mit Suze.
Als das Telefon zum vierten Mal klingelt, kommt Luke vollständig angezogen und frisiert mit langen Schritten aus dem Bad.
»Willst du nicht rangehen?«, fragt er knapp und nimmt ab. »Hallo? Ja, Luke Brandon hier.«
Mir wird kalt vor Angst und ich wickele mich fest in die Bettdecke.
»Gut«, sagt Luke. »In Ordnung. Bis später dann.« Er legt auf und kritzelt etwas auf einen Block Papier.
»Wer war das?«, frage ich und bemühe mich, ruhig zu klingen.
»Eine Sekretärin von JD Slade«, antwortet er und legt den Stift hin. »Der Zeitplan wurde geändert.«
Er zieht sich die Schuhe an und ich sage gar nichts. Meine Hand klammert sich verkrampft um die Mittelseiten der Daily World. Ich will es ihm zeigen... und ich will es ihm nicht zeigen.
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