Faszination Menschenfresser
Hundeleichen zu einem stattlichen Zwölf-Meter-Krokodil! Merke: Offensichtlich kann man nicht nur Leistungssportler, sondern auch Krokodile dopen. Natürlich betätigt sich das Megakrokodil als Serienkiller, der sich gleich eine ganze Reihe braver US -Bürger einverleibt, bevor er von einem Polizeibeamten durch eine ordentliche Ladung Dynamit ins Jenseits befördert wird. In der letzten Einstellung erfährt man allerdings, dass unbemerkt von den Menschen noch ein Babyalligator existiert. Fortsetzung folgt …
Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Jane Goldman glaubt den Grund dafür zu kennen, warum sich der Großstadtmythos vom Krokodil im Kanalsystem so hartnäckig hält: »Es ist kaum verwunderlich, dass Abwasseranlagen so gut in die erzählerische Volkstradition passen. Sie sind dunkel, stinken, und nur wenige bekommen sie je zu Gesicht. Sie sprechen unsere Urängste an, unsere Faszination für das verborgene Unbekannte, das unter der zivilisierten Oberfläche lauert.«
Um einen echten Menschenfresser handelt es sich zweifelsohne bei unserer größten Krokodilart, dem Leistenkrokodil.Wie es bereits ihr englischer Name Salzwasserkrokodil verrät, bewohnen Leistenkrokodile, im Gegensatz zu allen anderen Krokodilen, dank einer hohen Salzverträglichkeit nicht nur Flüsse und Seen, sondern auch das Meer. Möglich machen die Salztoleranz sogenannte Salzdrüsen auf der Zungenoberfläche, mithilfe derer die Krokodile überschüssiges Salz wieder ausscheiden können. Seinen deutschen Namen erhielt das Leistenkrokodil dagegen aufgrund einer auffälligen Doppelreihe leistenartig angeordneter Höcker auf der Oberseite der langen Schnauze.
Aufgrund ihrer Salzverträglichkeit haben »Salties«, wie die riesigen Tiere in Australien verniedlichend genannt werden, das größte Verbreitungsgebiet aller Krokodile überhaupt. Es reicht von Indien über Südostasien bis nach Australien und umfasst fast die gesamte ozeanische Inselwelt. Man trifft die größten Krokodile der Welt vor allem im Brackwasser der Küstenregionen, in Mangrovensümpfen und in Flussmündungen an. Aber es werden auch immer wieder Leistenkrokodile viele 100 Kilometer vom Land entfernt auf hoher See gesichtet. Aktueller Rekordhalter ist ein großes männliches Exemplar, das ursprünglich im Inselstaat Palau zu Hause war, einige Zeit später jedoch auf der zu den Föderierten Staaten von Mikronesien gehörenden Insel Pohnpei angetroffen wurde. Es hatte eine Strecke von mindestens 1400 km zurückgelegt.
Oft kommen Fischer, Schwimmer, Surfer und Taucher bei der Begegnung mit einem »Saltie« mit dem Schrecken oder lediglich Bisswunden davon, aber vor allem auf Neuguinea und in Indonesien ereignen sich immer wieder tödliche Zwischenfälle mit den riesigen Reptilien, sodass jährlich Dutzende von Opfern zu beklagen sind . Das wohl berühmteste Leistenkrokodil aller Zeiten war ein fast sieben Meter langes Tier namens »Bujang Senang« = der glückliche Junggeselle, ein berüchtigter Menschenfresser, der auf der Insel Borneo über den unvorstellbaren Zeitraum von mehr als 50 Jahren sein Unwesen getrieben hatte. Angeblich hat das Mörderkrokodil in Sri Aman, einem Distrikt im malaysischen Teil der Insel Borneo, über 100 Menschen getötet und dabei gleich ganze Dorfgemeinschaften ständig in Angst und Schrecken versetzt. Sein Ende fand das Krokodil, das auf dem Rücken einen weithin sichtbaren weißen Streifen trug und daher leicht zu identifizieren war, am 22. 05. 1992 durch Scharfschützen der Polizei, nachdem es kurz zuvor sein letztes Opfer, ein 22-jähriges Eingeborenenmädchen, verspeist hatte. Es stellte sich heraus, dass »Bujang Senang« nicht nur das größte, sondern wohl auch das älteste Krokodil war, das man je auf Borneo erlegt hat. Der gewaltige Schädel des »Glücklichen Junggesellen« ist jetzt als Touristenattraktion auf einer malaysischen Krokodilfarm zu bewundern.
Leistenkrokodile waren es auch, die im Zweiten Weltkrieg für das sogenannte Massaker von Ramree Island verantwortlich waren. Ein Massaker, das im Guinnessbuch der Rekorde als »die größte jemals von Tieren angerichtete Katastrophe« geführt wird. Auf der direkt vor der burmesischen Küste gelegenen Insel Ramree hatten im Februar 1945 britische und indische Truppen rund 1000 Japaner der dortigen Garnison eingekesselt. Nachdem die Japaner wiederholte Aufforderungen, sich zu ergeben, ignoriert hatten, verhinderten die britischen Truppen der Royal Marines durch gezieltes
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