Faszination Menschenfresser
bis zu acht Meter großen Landkrokodilen, deren Haut auch dem Beschuss einer modernen Feuerwaffe standhalten würde, die Runde, aber das waren eben Gerüchte. Erst der auf der Nachbarinsel Flores stationierte Leutnant van Steyn van Hensbroek machte den Spekulationen ein Ende und erlegte 1912 auf Komodo ein zweieinhalb Meter großes Exemplar der »Ungeheuer«. Die Haut seiner Jagdbeute schickte er dann zusammen mit einer Fotografie zur näheren Untersuchung an den Reptilienspezialisten Peter Ouwens, seines Zeichens Direktor des Zoologischen Museums in Bogor auf Java. Ouwens erkannte relativ schnell, dass es sich bei dem Landkrokodil um eine riesige Waranart handeln musste, und beauftragte sofort professionelle Tierfänger mit der Suche nach weiteren Exemplaren. Auf der Grundlage von zwei erlegten erwachsenen Tieren und zwei lebenden Jungen, mit denen die Tierfänger nach Java zurückkehrten, beschrieb Ouwens dann die neue Art und gab ihr nach der Insel, auf der sie entdeckt worden war, den wissenschaftlichen Namen Varanus komodoensis . Damit war der Komodowaran offiziell in der Wissenschaft angekommen.
Natürlich war die Entdeckung der »letzten Drachen« eine wissenschaftliche Sensation – mit der Folge, dass auf Komodo bald eine Fangexpedition die andere ablöste, denn jeder europäische oder amerikanische Zoo, der auch nur ein bisschen was auf sich hielt, wollte natürlich jetzt seiner Klientel einen »Komodo-Drachen« bieten. Und tatsächlich entpuppten sich die großen Echsen als regelrechte Besuchermagneten. So standen zum Beispiel 1926 Tausende von New Yorkern geduldig etliche Häuserblocks lang Schlange, nur um auch einmal einen Blick auf die beiden »Drachen« zu werfen, die der Bronx Zoo damals frisch erworben hatte.
In Gefangenschaft zeigen die sonst so angriffslustigen letzten Drachen, einen einfühlsamen Pfleger vorausgesetzt, manchmal, dass sie offensichtlich auch eine freundliche, ja durchaus auch anhängliche Seite haben. So spazierte der in den 1920er-Jahren im Berliner Zoo gehaltene Komodowaran »Moritz«, ein immerhin zweieinhalb Meter großes Tier, in Begleitung seines Pflegers oft fröhlich mitten zwischen den erstaunten Zoobesuchern umher. Klar, dass der sanfte Riese, der seinem Pfleger oft wie ein Hund an der Leine folgte, durch ein solches Verhalten zum Publikumsliebling mutierte.
Das Verbreitungsgebiet des Komodowarans ist nicht gerade groß: Es erstreckt sich lediglich über einen eng begrenzten Teil der Kleinen Sunda-Inseln, einem östlich von Java gelegenen Archipel. Außer auf der namensgebenden, gerade mal 400 Quadratkilometer großen Insel Komodo findet man das Reptil nur noch auf den ebenfalls winzigen Nachbarinseln Rinca, Gili Motang und Gili Dasami sowie entlang der Küste der größeren Insel Flores.
Erfreulicherweise wurden die »letzten Drachen« schon frühzeitig unter Schutz gestellt. Bereits drei Jahre nach der offiziellen Entdeckung des Komodowarans erließ der für Komodo zuständige Sultan von Bima ein Gesetz, dass es verbot, den »Ora«, wie der Komodowaran bei den Einheimischen genannt wird, zu töten. Und auch die Nachfolgeregierungen, zunächst die niederländisch-ostindische und danach die indonesische Regierung, sorgten stets dafür, dass der Komodowaran angemessen vom Gesetz geschützt war. Auch international sind die kolossalen Echsen streng geschützt: Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen listet den Komodowaran in Anhang I, was bedeutet, dass jeglicher Handel mit lebenden Komodowaranen oder Körperteilen von ihnen (z. B. Häuten oder Zähnen) ohne Sondergenehmigungen verboten ist. 1980 wurde dann durch die Gründung des Komodo-Nationalparks auch der Lebensraum der Echsen geschützt. Trotz all dieser Schutzmaßnahmen gehören Komodowarane bei gerade mal noch 5000 lebenden Exemplaren seit vielen Jahren zu den bedrohten Tierarten und werden dementsprechend auch auf der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature ( IUCN ) als »gefährdet« geführt. Und das nicht ohne Grund: Auf Komodo kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Fällen von Wilderei. Zwar werden nicht die Warane selbst gewildert, wohl aber eine große Zahl von Mähnenhirschen, die wie ja bereits erwähnt eine Hauptnahrungsquelle für die Riesenechsen darstellen. Im Nationalpark sorgen deshalb jetzt verstärkt Ranger dafür, dass den Waranen ihre Nahrungsgrundlage nicht entzogen wird. Eine mögliche zukünftige Gefährdung für die Warane sehen Experten auf der Insel Flores,
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