Faszination Menschenfresser
Magazin GEO etwas näher unter die Lupe genommen hatte: »Am vierten Tag drangsalierten 15 Warane die verendende Büffelkuh. Als sie sich zur Seite drehte, bekam einer das Euter zu fassen und biss sich fest. Die Kuh sprang noch einmal auf – und dabei riss das Euter. Blutgeruch erfüllte nun die Luft – und das war das Signal, über den Büffel herzufallen: Schnell hatten zwei Echsen ihren Kopf in die Wunde gesteckt und rissen Fleischbrocken heraus. Wie im Rausch fraßen sie eine stetig größer werdende Höhle in den Leib des noch lebenden Opfers – abwechselnd tauchten sie mit dem Kopf voran immer tiefer in den Körper ein. Vielleicht noch fünf Minuten lebte die Büffelkuh, dann ein letzter Seufzer – und ihr Kopf sank zur Seite. Doch das beachteten die Warane gar nicht, sondern fetzten weiter die Eingeweide heraus, bis nur das Fell übrig war.«
Viele Jahre glaubte man, die Komodowarane würden beim Biss ihre Beute mit einem todbringenden Cocktail aus über 50 hochgefährlichen Bakterienarten infizieren und damit letztendlich durch eine voranschreitende Infektion bzw. Blutvergiftung töten. Vor Kurzem haben jedoch Wissenschaftler der Universität von Melbourne diese Theorie widerlegt. Die australischen Forscher konnten nachweisen, dass die größten Echsen der Welt ihre Opfer nicht mit einem Bakteriencocktail, sondern mit einem ganzen Strauß verschiedener Gifte schwächen, um sie dann später in aller Ruhe töten und verzehren zu können. Untersuchungen, die mithilfe eines Kernspintomografen an einem im Zoo von Singapur gehaltenen Tier durchgeführt wurden, zeigen nämlich, dass Komodowarane über ein äußerst komplexes und kompliziertes System von Giftdrüsen verfügen, deren Ausführgänge zwischen den Zähnen enden. Eine chemische Analyse brachte gleich fünf verschiedene Giftklassen zutage, die beim Opfer durch Hemmung der Blutgerinnung und Erweiterung der Blutgefäße einen plötzlichen Abfall des Blutdrucks bewirken und es damit in eine Art Schockzustand überführen. Zusätzlich verursacht die Giftmischung der Echse auch schmerzhafte Krämpfe und Lähmungen. Eine ähnliche Giftwirkung ist auch von einigen Schlangenarten bekannt. Aber anders als bei Schlangen, bei denen das Gift mit einem schnellen Biss durch sogenannte Hohlzähne injiziert wird, verbeißen sich Komodowarane in den Körper ihres Opfers und massieren dann das Gift durch kräftige Kaubewegungen ein. Und genau diese Kombination aus Giftwirkung und den schweren Verletzungen, die der Waran seinem Opfer mit seinen scharfen Sägezähnen zufügt, ist es, die die letzten Drachen so extrem gefährlich macht. Oder um es mit dem australischen Tiergiftexperten Bryan Fry zu sagen: »Im Gegensatz zur Kobra, bei der Gift die einzige Waffe ist, verfügen Komodowarane gleich über ein ganzes Arsenal gefährlicher Waffen.«
Ernährungstechnisch gesehen sind Komodowarane genügsame Tiere: Braucht ein Tiger zum Überleben im Durchschnitt täglich etwa zwölf Pfund Fleisch, kommen beim König der Echsen selbst Drei-Meter-Exemplare mit gerade mal einem Pfund aus. Ein Unterschied, der sich aus dem unterschiedlichen Aufwand zur Erhaltung der Körpertemperatur ergibt: Gleichwarme Tiere wie der Tiger verbrauchen rund 80 bis 90 Prozent der in der Nahrung enthaltenen Energie allein zum Aufrechterhalten ihrer Körpertemperatur. Ein Waran dagegen als sogenanntes wechselwarmes Tier lässt sich am Morgen von der Sonne ordentlich aufheizen und verzieht sich am Mittag unter kühlende Büsche. Das spart gewaltig Energie.
Eine »blutrünstige Bestie«, ein »menschenfressender Drache« – die Gefährlichkeit des Komodowarans wurde in der Vergangenheit meist maßlos übertrieben. Üblicherweise begreifen die gewaltigen Warane den Menschen nämlich nicht als Beutetier. Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass sich bereits in den mündlich überlieferten Erzählungen der indonesischen Ureinwohner Berichte über blutige Zusammenstöße zwischen Mensch und Riesenechse finden. So sollen auf den Kleinen Sunda-Inseln immer wieder Kleinkinder von Komodowaranen gefressen und Erwachsenen auch schon mal das halbe Bein oder aber zumindest eine Gesäßbacke abgerissen worden sein. Alles Mythen und Horrorgeschichten? Als sicher gilt, dass die größten Echsen der Welt seit ihrer Entdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als ein Dutzend Menschen getötet und zum Teil auch gefressen haben.
Das bekannteste Komodowaran-Opfer war der Baron Rudolf von Reding, Biberegg,
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