Faszination Menschenfresser
Säugetiere ab der Größe einer Maus bis hin zum ausgewachsenen Hausschwein auf dem Speisezettel. Ab und an darf es aber auch mal was Größeres sein. So haben Felsen- und Netzpythons schon nachweislich Beutetiere jenseits der 50-Kilo-Marke verschlungen, und von großen Anakondas weiß man, dass sie, wenn auch relativ selten, auch schon ein junges Rind am Stück verzehrt haben. Aber auch Leoparden und sogar Krokodile von mehr als zwei Metern Länge sind bereits von Riesenschlangen getötet und auch verschlungen worden. Die Taktik der Riesenschlange ist dabei immer die gleiche: Hat das gewaltige Reptil erst einmal seine Beute mit seinen messerscharfen, nach hinten gebogenen Zähnen gepackt und sich katapultartig mit seinem gesamten Körper um sein Opfer gewickelt, gibt es kein Entrinnen mehr. Fälschlicherweise wird oft angenommen, Riesenschlangen würden ihre bemitleidenswerten Opfer regelrecht zerquetschen beziehungsweise ihnen jeden Knochen im Leibe brechen. Tatsächlich schnüren die »Würgeschlangen« aber durch den gewaltigen Druck ihrer »Umarmung« die Blutgefäße ihrer Beute ab. Dadurch werden das Herz-Kreislauf-System und die Atmung unterbrochen, mit der Folge, dass das Opfer innerhalb einiger weniger Sekunden das Bewusstsein verliert. Jetzt hat die Schlange leichtes Spiel und kann ihr Beutetier in aller Seelenruhe verschlingen.
Anders als andere Raubtiere, die ihre Beute zunächst mit den Zähnen zerkauen oder zerfetzen, schlucken Riesenschlangen immer das intakte Tier komplett herunter. Das Verschlingen des Opfers folgt dabei strengen Regeln. So wird beim »Herunterwürgen am Stück« stets mit dem Kopf des Opfers begonnen. Erst dann folgt der Rest des Körpers. Das hat den Vorteil, dass die Mahlzeit gut rutscht, denn würde die Schlange das Beutetier gegen die Richtung von Beinen, Flügeln, Fell, Federn oder gar Stacheln schlucken, könnte ihr der Bissen im wahrsten Sinne des Wortes im Hals stecken bleiben.
Bleibt noch die Frage, wie es ein Python oder eine Anakonda eigentlich schaffen, bei einem doch relativ kleinen Maul einen so riesigen Brocken wie einen Hirsch oder ein Schwein oder möglicherweise gar einen Menschen am Stück herunterzuschlucken? Die Antwort auf diese Frage ist vergleichsweise simpel: Riesenschlangen verfügen über zwei flexible Unterkiefer, die sich aus dem Oberkiefer aushängen können und dadurch dem Schlangenmaul eine unglaubliche Flexibilität verleihen. Und so ein aushängbarer Kiefer erleichtert das Schlucken großer Brocken natürlich ganz enorm und erlaubt es einer Riesenschlange, fast jedes Lebewesen mit Haut und Haaren zu verschlingen. Von Elefanten einmal abgesehen. Um ihren Kiefer nach der Mahlzeit wieder einzurenken, müssen Python und Co. einfach nur ein paarmal herzhaft gähnen, und schon sitzen alle Bestandteile des Schädels wieder da, wo sie auch hingehören. Ist das vermeintliche Nadelöhr Mund erst einmal erfolgreich passiert, muss jetzt der Magen-Darm-Trakt mit der herkulischen Aufgabe beginnen, den überdimensionalen Fleischklops zu zerkleinern. Wie die Schlangen das schaffen, diesem Geheimnis sind Wissenschaftler der Universität Jena vor einigen Jahren mithilfe modernster Technik auf die Spur gekommen. Die Forscher durchleuchteten die Schlangen einfach mit Ultraschall und Kernspintomografen. Auf diese Weise konnten sie die Verdauungsvorgänge am lebenden Objekt untersuchen. Die Verdauung verläuft verblüffenderweise regelrecht im Eiltempo ab. Zum Verdauen eines kompletten Schweins braucht zum Beispiel ein Python gerade mal eine Woche, wie die Jenaer Wissenschaftler herausgefunden haben. Das Verdauungssystem eines Menschen wäre bei einer solchen Anforderung heillos überfordert. Bei Riesenschlangen produziert der Magen zunächst einmal große Mengen einer starken Salzsäurelösung, die innerhalb kürzester Zeit den Schädel des Opfers wegätzt. Anschließend wird nach und nach der restliche Körper zersetzt. Die Säure ist so stark, dass sie innerhalb weniger Tage das Beutetier restlos in einen mehr oder weniger homogenen Nahrungsbrei umwandelt. Um der gewaltigen Nährstoffmenge Herr zu werden, finden im Schlangenkörper dann zunächst umfangreiche Umbauarbeiten statt. Innerhalb weniger Stunden schwellen Darm und Leber auf das Dreifache ihrer Normalgröße an. Dabei kommen die Reptilien allerdings ohne Zellvermehrung aus, die Vergrößerung wird alleine durch erhöhten Blut- bzw. Lymphdruck in einer Art »Aufblaseffekt« bewirkt. Natürlich bedeutet das
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