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Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Titel: Faszinierend wie der Kuss des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Rascheln der Seide zu verhindern, schlich sie um den Gemüsestand herum und versteckte sich hinter gestapelten Kisten. Von hier aus konnte sie das Gespräch belauschen.
    „Wo finden wir die Sachen?“, fragte die eine Person mit leiser, heiserer Stimme, von einer Kapuze oder Maske gedämpft. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, vermochte Clio nicht festzustellen. Nur die Verzweiflung war spürbar.
    „Das sagte ich doch, wir wissen es noch nicht“, erwiderte die Totenkopfmaske ungeduldig – auf Englisch, aber mit starkem sizilianischem Akzent. Konzentriert zog Clio die Brauen zusammen, fast sicher, sie hätte diese Stimme schon einmal gehört.
    „Aber wir haben die Schale! Also muss der Rest in der Nähe liegen.“
    „Dieses Stück wurde von der restlichen Sammlung getrennt“, erklärte der ungeduldige Sizilianer. „Das andere Zeug werden wir finden. Wir graben, wann immer sich eine Gelegenheit ergibt. Und wir sind nah dran, das fühle ich.“
    „Hoffentlich! Der englische Kunde war sehr zufrieden mit der Schale. Und für die übrigen Sachen wird er eine Menge Geld zahlen. Dieses Silber – ein seltener Fund … Damit hätten wir für unser Leben ausgesorgt. Warum arbeitest du nicht schneller?“
    „Das weißt du!“, entgegnete der Sizilianer ärgerlich. Clio hörte ein Rascheln und vermutete, eine Kapuze oder Maske würde entfernt. Vorsichtig spähte sie an den Gemüsekisten vorbei. Und da wusste sie, warum ihr die Stimme bekannt vorkam. Giacomo – der Wilderer …
    Voller Mitgefühl überlegte sie, ob Rosa und Paolo wussten, dass ihr Sohn zu den tombaroli gehörte. Warum tat er seinen gutmütigen Eltern so etwas an? Warum zerstörte er das Erbe seiner Vorfahren?
    „Letztes Jahr waren die Grabfresken viel größer und komplizierter“, argumentierte die andere Person. „Trotzdem hast du alles in der halben Zeit geliefert.“
    „Weil in diesem Grab nicht jeden Tag jemand herumgelungert ist“, entgegnete Giacomo ungehalten. „Und die Geister halten die Forscher fern.“
    „Früher hat dich das nie gehindert. Kümmere dich darum! Den Engländer interessiert nur das Silber. Oder gar nichts. Und wenn du das Geld willst …“
    „Natürlich will ich das Geld!“
    „Dann tu, was ich dir sage. Sieh zu, dass du das Silber findest!“ Papiere raschelten, als sie auseinandergefaltet wurden. „Das möchte der Engländer haben – die Stücke auf diesen Skizzen. Wenn du sie in vierzehn Tagen aufspürst, bekommst du einen schönen Bonus. Wenn nicht, brechen verdammt harte Zeiten an. Für uns alle!“
    Clio beugte sich noch weiter vor und beobachtete, wie die Person davoneilte und Giacomo allein ließ. Nachdem er die Totenmaske wieder über sein Gesicht gestreift hatte, starrte er die Papiere in seiner Hand an. Sie hörte ihn etwas auf Italienisch murmeln – etwas über „Geister“. Um ihn besser zu verstehen, neigte sie sich zu weit vor, stieß gegen eine Kiste und erzeugte ein scharrendes Geräusch. Erschrocken zog sie sich tiefer in die Schatten zurück und wagte nicht zu atmen.
    Blitzschnell fuhr Giacomo herum und sah sich angstvoll um. Mochte er auch ein tombarolo sein – für diese Tätigkeit schien er sich nicht zu eignen. Diebe brauchten stählerne Nerven.
    Seiner bebenden Hand entglitt ein Blatt Papier. „Geister“, stöhnte er und eilte davon, wie von Furien gehetzt.
    Clio wartete, bis sie sicher war, dass er sich tatsächlich entfernt hatte. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zu dem Papier, das zu Boden gefallen war, und hob es auf. Im schwachen Licht sah sie die detaillierte Skizze eines Weihrauchgefäßes, mit einer kunstvollen Gravur, die die Göttin Demeter darstellte. Offenbar gehörte die Antiquität zu einer exquisiten Sammlung, für die der mysteriöse Engländer eine große Summe zahlen würde. Wo suchten die tombaroli nach diesen Schätzen?
    Und wer war der Engländer?
    Schweren Herzens erkannte Clio, dass all die Rätsel der letzten Tage mit dieser Silbersammlung zusammenhängen mussten. War Edward aus diesem Grund nach Santa Lucia gereist? Wollte er sich die gestohlenen Kunstgegenstände aneignen, die offenbar aus der Ruine eines Tempels stammten? Darauf wies das Weihrauchgefäß hin. Bedrückt dachte sie an die lange Galerie in seinem Londoner Palais, mit den verschiedensten Antiquitäten gefüllt – mit griechischen Vasen, römischen Statuen, einem ägyptischen Sarkophag, Schlangengöttinnen aus Minoa, der Ausgrabungsstätte, die auf einem Berg oberhalb des Hafens

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