Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
„Ein Friedensangebot, wenn du es so nennen willst.“
„Ein Friedensangebot? Damit sollte ich dich versöhnlich stimmen, nachdem ich in dein Haus eingebrochen bin.“
Sie setzten sich unter die Zypresse, und Edward füllte die Kelche mit dunkelrotem Wein. „Nun, dazu habe ich dich provoziert. Dass du dich nicht mit vagen Warnungen abfinden würdest, hätte ich wissen müssen.“
„Genau, denn wir Chases sind nicht gerade für stille Duldsamkeit bekannt.“ Clio nippte an dem vollmundigen Wein, dankbar für die Stärkung.
„So ist es. Du bist eine tatendurstige Frau. Das hätte ich bei meiner Planung berücksichtigen müssen.“
„Also hast du einen Plan?“
„Noch nicht. Aber allmählich nimmt einer Gestalt an.“
Würde er sie in diesen Plan einbeziehen? Wenn er ihr bloß vertrauen würde, könnte sie ihm helfen. Wie man Schurken fing, wusste sie, wie sie dachten, wie sie handelten. Falls Ed ward nicht der Schurke war … Dann hätte sie keine Ahnung, wie sie vorgehen müsste.
Wie ein Schurke sah er nicht aus, als er entspannt neben ihr im Schatten saß. In einträchtigem Schweigen genossen sie den sonnigen sizilianischen Nachmittag.
Clio trank ihren Kelch leer, drehte ihn langsam hin und her. Plötzlich fühlte sich das Glasgefäß in ihrer Hand wie Eisen an, ihre Finger wurden schwer und gefühllos. Vor ihren Augen tanzten bunte Flecken, ihre Gedanken verwirrten sich.
Was geschah mit ihr? Angstvoll zwang sie sich, aufzustehen, und suchte Halt am Stamm der Zypresse. Ringsum wirbelte die Welt im Kreis herum.
Sie spürte Edward neben sich, seine Hand auf ihrem Arm. Als sie ihn anzuschauen versuchte, wurde sie vom Sonnenlicht hinter seinem goldenen Haar geblendet, schimmernde Hitze schien ihn zu umflirren. Sie wich zurück, ihr Fuß stieß gegen den Kelch, der zu Boden gefallen war. Verstört starrte sie hinab, und da ordneten sich die wirren Gedanken, führten zu einer beklemmenden Erkenntnis. „Der Wein …“, stöhnte sie. „Du hast mich vergiftet!“
„Nein, Clio“, erwiderte er in entschiedenem Ton und hielt sie fest. Diesmal versuchte sie ihn nicht abzuwehren. „Kein Gift. Nur eine Kräutermischung, die dir helfen wird, einzuschlafen. In ein paar Stunden wirst du unversehrt erwachen. Das verspreche ich dir.“
Sie glaubte ihm nicht. Mit letzter Kraft versuchte sie, wach zu bleiben, zu fliehen. Stählerne Ketten schienen ihre Glieder zu fesseln. „Warum?“, würgte sie hervor. Ihr Blickfeld verdunkelte sich.
„Um dich zu schützen.“ Wie aus weiter Ferne drang Edwards Stimme zu ihr. „Du wolltest dich nicht von diesem Ort fernhalten. Also blieb mir nichts anderes übrig. Tut mir leid, Clio.“
Ihre Knie wurden weich, und sie spürte, wie er sie hochhob. Mühelos, als wäre sie leicht wie eine Feder … Doch sie fühlte sich so schwer wie ein Felsblock.
Bevor ihre Sinne schwanden, hörte sie ihn wiederholen: „Tut mir leid. Es musste sein.“
Wenn sie erwachte, würde er erst recht bedauern, was er ihr zumutete.
Bedrückt legte er Clio auf das Bett. Die bittere Anklage in ihren Augen und ihre Überzeugung, er habe sie vergiftet, erschütterten Edward.
Leider hatte er keine andere Möglichkeit gefunden, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Sie würde seine Warnungen weiterhin missachten, in fremde Häuser einbrechen, allein durch einsame Täler wandern, bis sie fand, was sie suchte. Oder bis das Unheil sie finden würde.
Deshalb musste er sie für ein paar Tage außer Gefecht setzen. Irgendwann würde sie es verstehen. Andererseits – so wie er Clio kannte, würde sie es nie verstehen, aber wenigstens am Leben bleiben.
Behutsam nahm Edward ihr die Brille ab und zog ihr die Stiefel aus, breitete weiche Leinenlaken und eine Samtdecke über ihren Körper. Er hatte ihr ein sehr starkes Mittel verabreicht, wahrscheinlich würde sie bis zum nächsten Morgen schlafen. Und wenn sie erwachte …
„Nur für ein paar Tage“, flüsterte er und strich ihr das zerzauste Haar aus der Stirn. So friedlich sah sie im Schlaf aus, so schön, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Könnte sie nur immer so sein … Doch dann wäre sie nicht Clio, die leidenschaftliche, eigensinnige Clio, die ihm so viel bedeutete. „Nur für ein paar Tage“, wiederholte er. „Hier bist du in Sicherheit. Und wenn du willst, kannst du mich danach für immer hassen.“
Er drehte am Docht der Lampe auf dem Nachttisch, sodass sie schwächer leuchtete, bevor er die Kammer verließ und die Tür hinter sich
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