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Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Titel: Faszinierend wie der Kuss des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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versperrte. Dann trat er in die wolkenlose Nacht hinaus. Ein kühler Bergwind hatte die Hitze des Tages verscheucht.
    Zum Glück hatte er sich rechtzeitig an die Jagdhütte erinnert, die zum Palazzo Picini gehörte – ein Steinhäuschen, hoch oben in den Bergen, meilenweit von Santa Lucia entfernt und nur über schlechte Straßen zu erreichen. Der alte Baron Picini, schon vor vielen Jahren verstorben, hatte die Hütte für seine romantischen Affären benutzt, weit weg vom Zorn seiner Ehefrau. In aller Eile hatte Edward einige Sachen hierhergebracht, um für Clios Komfort zu sorgen – Kleider, Bücher, Vorräte und Feuerholz.
    In wenigen Tagen würde er das Problem des Tempelsilbers lösen, Clio freilassen, und sie konnte in ihre Welt zurückkehren. Er holte tief Atem, dann ging er wieder in die Hütte und betrat das kleine Wohnzimmer, setzte sich vor das Kaminfeuer und wartete. Hinter der Schlafzimmertür herrschte Stille, das Schweigen eines tiefen Schlummers.
    Nicht mehr lange …

19. KAPITEL

    Clio glaubte zu schwimmen. So wie in der Kindheit, wenn sie mit ihren Schwestern im Teich gebadet hatte, kämpfte sie sich durch warmes, schlammiges Gewässer. Irgendetwas Schweres hing an ihren Füßen und versuchte sie ins Dunkel zurückzuziehen. Einerseits wollte sie wieder hinabfallen ins lautlose Nichts, andererseits erwachte eine Kraft in ihrem Innern, die sie drängte, dieses Gewicht abzuschütteln. Deshalb wehrte sie sich dagegen, bis sie schließlich emportauchte – zum Licht.
    Und zu einer Welt voller Schmerzen. In ihrem Kopf pochte es, als hätte sie zu viel Champagner getrunken oder ohne Brille gelesen. Oder beides wie an jenem Abend, wo sie zusammen mit Thalia eine Flasche Brandy aus dem Keller ihres Vaters entwendet hatte. Und dann hatten sie alle Rollen in „Elektra“ einstudiert.
    War so etwas erneut geschehen? Daran zweifelte sie. Doch sie konnte sich nicht genau erinnern. Mühsam öffnete sie die brennenden Augen und blinzelte in die beklemmende Realität. Wo bin ich? Nicht in ihrem Zimmer, weder in Santa Lucia noch in London, das erkannte sie sofort.
    Sie schlug ein Laken und eine Decke aus weichem dunkelrotem Samt zurück und richtete sich auf. Von dicken Kissen gestützt, musterte sie ein geschnitztes Bettgestell und Bettvorhänge aus rotem Brokat. Durch ein winziges Fenster fiel heller Sonnenschein auf eine weiß getünchte Wand. Der Raum war klein, aber komfortabel ausgestattet, mit rot-grünen türkischen Teppichen auf einem polierten Bretterboden.
    An den Wänden hingen mehrere Bilder, auf einem Toilettentisch lagen Haarbürsten neben Kerzen, Tiegeln und Fläschchen. Ein Schreibtisch war mit Büchern übersät. Solche schönen Lederbände hatte Clio bisher nur in Bibliotheken gesehen. In der Ecke neben einem kleinen Kamin stand ein reich geschnitzter Schrank.
    Dieses Zimmer schien einem Märchen zu entstammen, in dem sich eine Prinzessin vor der bösen Hexe versteckte. Aber sie war keine Prinzessin. Träumte sie das alles? Weil sie mit Thalia zu viel Wein getrunken hatte?
    Plötzlich kehrte die Erinnerung zurück. Edward – er hatte ihr Drogen verabreicht, in einem Glas Rotwein, und sie dann aus ihrem Bauernhaus weggebracht. Stöhnend sank sie in die Kissen zurück. Oh, dieser elende Schuft! Und sie hatte gerade begonnen, ihn zu mögen! Nun ja, nicht direkt – aber er war ihr etwas netter erschienen. Und sie hatte ihn geküsst und ihm erlaubt, ihre Brüste zu berühren – wie eine liebeskranke Närrin, wie die albernen romantischen Frauen, die sie verachtete …
    Und welche Katastrophe hatte sich daraus entwickelt? Sie war entführt worden! Nicht für lange! Entschlossen stieg sie aus dem Bett, blieb auf schwankenden, schwachen, zitternden Beinen stehen und schaute sich um.
    Auf dem Nachttisch, neben einer Lampe, lag ihre Brille. Sie trug immer noch ihr Arbeitskleid aus braunem, inzwischen stark zerknittertem Musselin. Vor dem Bett standen ihre Stiefel.
    Die Tür – offenbar aus massivem Holz – wies ein winziges vergittertes Fenster auf, eine perfekte Gefängnistür. Wie erwartet, war sie verschlossen. Aber Clio hatte mittlerweile die Überzeugung gewonnen, sie sei in einem sehr alten Gebäude eingesperrt worden. Und in vielen solcher Häuser gab es Falltüren und Geheimgänge.
    Systematisch suchte sie die Bodenbretter und die Wände ab, ohne Erfolg. Im Schrank fand sie keine falsche Rückwand, keinen falschen Boden, aber einen Teil ihrer Garderobe. Also hatte der Halunke sein Verbrechen

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