Fata Morgana
ein wenig.
»Nun, Mr Serrocold –«, sagte er rasch.
Lewis Serrocold schien immer noch seinen Gedanken nachzuhängen. »Wie schwer es doch ist, immer das Richtige zu tun«, sagte er seufzend.
»Ich glaube«, erwiderte Inspektor Curry, »das zu entscheiden, können Sie uns überlassen, Mr Serrocold. Aber nun zu Mr Gulbrandsen: Er kam unerwartet, stimmt das?«
»Völlig unerwartet.«
»Sie wussten nicht, dass er kommen würde?«
»Ich hatte nicht die geringste Ahnung.«
»Und Sie haben auch keine Ahnung, warum er gekommen ist?«
Leise sagte Serrocold: »O doch, das weiß ich. Er hat's mir gesagt.«
»Wann?«
»Als ich zurückkam, bin ich das letzte Stück zu Fuß gegangen. Er hat vor dem Haus gestanden und kam mir entgegen. Da hat er mir dann erklärt, was ihn hierher geführt hat.«
»Irgendetwas im Zusammenhang mit dem Gulbrandsen-Institut, nehme ich an?«
»O nein, es hatte nichts mit dem Gulbrandsen-Institut zu tun.«
»Miss Bellever schien das aber anzunehmen.«
»Ja, natürlich. Diese Vermutung lag nahe. Gulbrandsen hat nichts unternommen, um diesen Eindruck zu korrigieren. Und ich auch nicht.«
»Warum nicht, Mr Serrocold?«
Lewis Serrocold sagte langsam: »Weil es uns beiden wichtig schien, dass nichts über den wahren Zweck seines Besuchs bekannt wird.«
»Und was war der wahre Zweck?«
Ein bis zwei Minuten lang schwieg Lewis Serrocold. Er seufzte.
»Gulbrandsen kam regelmäßig zweimal im Jahr zu Besprechungen mit den Kuratoren herüber. Die letzte Sitzung war erst vor einem Monat. Normalerweise wäre er also erst in fünf Monaten wieder gekommen. Ich glaube deshalb, dass jeder sich denken konnte, dass die Geschäfte, die ihn hergeführt hatten, dringender Natur sein mussten, dass es aber eben doch nur ein geschäftlicher Besuch war und dass es sich, so dringend es auch sein mochte, um Angelegenheiten der Stiftung handelte. Soviel ich weiß, hat Gulbrandsen nichts getan, um dieser Vermutung zu widersprechen – jedenfalls nicht bewusst. Ja, das ist vielleicht näher an der Wahrheit – dass er zumindest bewusst nichts dergleichen getan hat.«
»Es tut mir Leid, Mr Serrocold, aber ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
Lewis Serrocold zögerte mit der Antwort. Schließlich sagte er: »Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass ich angesichts von Gulbrandsens Tod – bei dem es sich unbestreitbar um Mord handelt – alle Fakten auf den Tisch legen muss. Aber ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen um das Glück und den Seelenfrieden meiner Frau. Ich kann Ihnen keine Vorschriften machen, Inspektor, aber wenn Sie es irgendwie einrichten könnten, bestimmte Dinge so weit wie möglich von ihr fern zu halten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Also, es ist so, Inspektor Curry: Christian Gulbrandsen kam eigens hierher, um mir seine Vermutung mitzuteilen, dass meine Frau langsam und kaltblütig vergiftet wird.«
»Wie bitte?« Curry beugte sich ungläubig vor.
Serrocold nickte.
»Ja. Für mich war das, wie Sie sich vorstellen können, ein furchtbarer Schock. Ich hatte selbst keinerlei Verdacht in dieser Richtung, aber als Christian mir das sagte, wurde mir klar, dass bestimmte Symptome, über die meine Frau in letzter Zeit geklagt hatte, durchaus zu dieser Theorie passten – Rheuma, Krämpfe in den Beinen, Schmerzen und gelegentliche Übelkeit. Das alles könnten auch Symptome einer Arsenvergiftung sein.«
»Miss Marple sagte uns, Christian Gulbrandsen habe sie gefragt, ob Mrs Serrocold herzkrank sei.«
»Ach ja? Interessant. Ich nehme an, er dachte, dass ein Herzgift verwendet wurde, weil dieses zu einem plötzlichen Herztod führen kann, bei dem niemand groß Verdacht schöpft. Aber ich selbst glaube eher an Arsen.«
»Sie sind also fest überzeugt, dass Christian Gulbrandsens Verdacht nicht unbegründet war?«
»O ja, da bin ich ganz sicher. Zum einen wäre Gulbrandsen niemals gekommen, um mir eine solche Mitteilung zu machen, wenn er sich seiner Sache nicht ziemlich sicher gewesen wäre. Er war ein vorsichtiger, besonnener Mann, schwer zu überzeugen, aber sehr klug.«
»Welche Beweise hatte er?«
»Dafür hat die Zeit nicht gereicht. Unser Gespräch war sehr kurz. Er erklärte mir nur den Zweck seines Besuchs, und wir kamen überein, dass meine Frau nichts von alledem erfahren dürfe, bis wir uns unserer Sache sicher wären.«
»Und wer hat seiner Meinung nach das Gift verabreicht?«
»Das sagte er nicht, und ich glaube auch nicht, dass er es wusste. Möglich, dass er einen Verdacht hatte.
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