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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Speisezimmer.«
    Curry beugte sich über den Schreibtisch. Er senkte die Stimme und sprach vertraulich, ohne Amtsmiene. »Entschuldigen Sie, Mr Serrocold, aber warum sind Sie eigentlich so darauf bedacht, die Sache vor Ihrer Frau geheim zu halten? Weil sie in Panik geraten könnte? Es wäre doch sicher auch in ihrem Interesse besser, man würde sie warnen.«
    »Ja – ja, das mag schon sein. Aber ich glaube, Sie verstehen nicht ganz – das ist auch schwierig, wenn man meine Frau nicht kennt. Meine Frau Caroline, Inspektor Curry, ist eine Idealistin, ein zutiefst vertrauensvoller Mensch. Von ihr kann man mit Fug und Recht sagen, dass sie nichts Böses sieht, nichts Böses hört und nichts Böses sagt. Es wäre für sie unvorstellbar, dass irgendjemand die Absicht haben könnte, sie umzubringen. Aber damit nicht genug. Es geht ja nicht nur um ›irgendjemanden‹. Vielmehr muss es sich – das sehen Sie sicher auch so – um jemanden handeln, der ihr möglicherweise sehr nahe steht, mit dem sie vertrauten Umgang pflegt...«
    »Das ist also Ihre Meinung?«
    »Wir müssen uns an die Fakten halten. Ganz in der Nähe haben wir zweihundert gestörte, psychisch verkümmerte junge Männer, die sich oft genug durch rohe, sinnlose Gewalt Luft machen. Aber nach Lage der Dinge ist in diesem Fall keiner von ihnen auch nur im Geringsten verdächtig. Wer einen anderen langsam vergiftet, gehört immer zum Familienkreis. Denken Sie an die Menschen, die hier im Haus leben: ihr Mann, ihre Tochter, ihre Enkelin, der Mann ihrer Enkelin, ihr Stiefsohn, den sie als ihren eigenen ansieht, Miss Bellever, ihre treu ergebene Gefährtin und Freundin seit vielen Jahren. Sie alle stehen ihr sehr nahe, und doch erhebt sich der Verdacht: War es einer von ihnen?«
    »Es gibt auch Außenstehende –«, sagte Curry gedehnt.
    »In gewissem Sinne, ja. Da ist Dr. Maverick, ferner ein oder zwei leitende Mitarbeiter, die oft bei uns sind, da ist die Dienerschaft – aber offen gesagt, was sollten die für ein Motiv haben?«
    »Außerdem ist da noch dieser junge Mann – wie heißt er noch? Edgar Lawson?«
    »Ja. Aber der ist erst seit einiger Zeit hier, eher als eine Art Besucher. Was für ein Motiv sollte er haben? Außerdem ist er Caroline herzlich zugetan – wie eigentlich alle.«
    »Aber er ist psychisch labil. Denken Sie an seinen Angriff auf Sie heute Abend.«
    Serrocold wischte das ungeduldig weg. »Kinderkram. Er hatte keinerlei Absicht, mir Schaden zuzufügen.«
    »Und die beiden Einschusslöcher in der Wand? Er hat doch auf Sie geschossen, oder nicht?«
    »Er wollte mich nicht treffen. Er hat Theater gespielt, sonst nichts.«
    »Eine ziemlich gefährliche Art von Theater, Mr Serrocold.«
    »Sie verstehen nicht. Sie müssen mit unserem Psychiater Dr. Maverick sprechen. Edgar ist ein uneheliches Kind. Er tröstet sich über seine Vaterlosigkeit und seine niedere Herkunft hinweg, indem er sich vormacht, er sei der Sohn eines berühmten Mannes. Ein wohl bekanntes Phänomen, glauben Sie mir. Sein Zustand hatte sich gebessert, ganz erheblich. Doch dann, aus welchem Grund auch immer, hatte er einen Rückfall. Er hat mich als seinen ›Vater‹ bezeichnet und diese melodramatische Szene vom Zaun gebrochen – mit einem Revolver herumgefuchtelt und Drohungen ausgestoßen. Ich war kein bisschen beunruhigt. Als er tatsächlich abgedrückt hatte, brach er schluchzend zusammen, und Dr. Maverick hat ihn unter seine Fittiche genommen und ihm ein Beruhigungsmittel gegeben. Morgen wird er wahrscheinlich wieder ganz normal sein.«
    »Sie wollen ihn also nicht anzeigen?«
    »Das wäre das denkbar Schlechteste – für ihn, meine ich.«
    »Offen gesagt, Mr Serrocold, ich finde, er gehört hinter Schloss und Riegel. Leute, die mit Revolvern herumballern, um ihr Selbstbewusstsein aufzupolstern! Man muss ans Gemeinwohl denken, wissen Sie.«
    »Sprechen Sie mit Dr. Maverick darüber«, drängte ihn Lewis. »Er wird Ihnen den Fall aus medizinischer Sicht erklären. Aber eins steht fest: Der arme Edgar hat Gulbrandsen nicht erschossen. Er war hier in diesem Zimmer und hat gedroht, mich zu erschießen.«
    »Darauf wollte ich gerade kommen, Mr Serrocold. Wir haben uns draußen umgesehen. Jeder, so scheint es, hätte von draußen hereinkommen und Mr Gulbrandsen erschießen können, da die Terrassentür nicht abgeschlossen war. Im Innern des Hauses ist der Kreis der möglichen Verdächtigen kleiner, und angesichts dessen, was Sie mir sagten, scheint es mir unumgänglich,

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