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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sie scharf an. »Haben Sie sich länger mit Mr Gulbrandsen unterhalten, seit er hier war?«, fragte er.
    »Nein, nur ganz kurz.«
    »Und es gibt nichts Besonderes oder – Bedeutsames, woran Sie sich noch erinnern?«
    Miss Marple überlegte.
    »Er hat mich nach Mrs Serrocolds Gesundheitszustand gefragt. Vor allem nach ihrem Herzen.«
    »Ihr Herz? Hat sie denn etwas am Herzen?«
    »Ganz und gar nicht, soviel ich weiß.«
    Inspektor Curry schwieg eine Weile, dann sagte er: »Sie haben heute Abend einen Schuss gehört, während der Auseinandersetzung zwischen Mrs Serrocold und Edgar Lawson?«
    »Ich selbst habe ihn nicht gehört. Ich bin ein bisschen schwerhörig, wissen Sie. Aber Mrs Serrocold sagte, es sei draußen im Park gewesen.«
    »Mr Gulbrandsen hat sich unmittelbar nach dem Abendessen entschuldigt, trifft das zu?«
    »Ja, er wollte noch Briefe schreiben.«
    »Er hat also nicht den Wunsch nach einer Besprechung mit Mr Serrocold geäußert?«
    »Nein«, sagte Miss Marple. Dann fügte sie hinzu: »Die beiden hatten schon ein kurzes Gespräch miteinander geführt.«
    »Ach ja? Wann? Ich dachte, Mr Serrocold ist erst kurz vor dem Abendessen nach Hause gekommen.«
    »Das ist völlig richtig, aber er kam zu Fuß durch den Park, und Mr Gulbrandsen ging hinaus, um ihn zu begrüßen, und dann gingen sie eine Zeit lang auf der Terrasse auf und ab.«
    »Wer weiß sonst noch davon?«
    »Niemand, würde ich meinen«, sagte Miss Marple. »Außer natürlich, Mr Serrocold hat es Mrs Serrocold erzählt. Ich habe zufällig aus dem Fenster gesehen. Da waren ein paar Vögel.«
    »Vögel?«
    »Vögel«, bestätigte Miss Marple zögernd. »Ich dachte, es könnte sich um Zeisige handeln.«
    Inspektor Curry hatte nichts für Zeisige übrig.
    »Sie haben nicht zufällig gehört«, fragte er vorsichtig, »worüber die beiden sprachen?«
    Unschuldige blaue Augen begegneten seinem Blick. »Leider nur Bruchstücke«, sagte Miss Marple.
    »Und was für Bruchstücke waren das?«
    Miss Marple schwieg ein Weilchen, dann sagte sie: »Ich weiß nicht, worüber sie gesprochen haben, aber es ging ihnen vor allem darum, irgendetwas vor Mrs Serrocold geheim zu halten. Sie damit zu verschonen – so drückte sich Mr Gulbrandsen aus, und Mr Serrocold sagte darauf: ›Ich bin ebenfalls der Meinung, dass wir vor allem an sie denken müssen.‹ Außerdem sprachen sie von ›großer Verantwortung‹ und dass sie sich ›Rat von außerhalb holen‹ wollten.« Sie hielt inne. »Aber ich glaube, da fragen Sie besser Mr Serrocold selbst.«
    »Das werden wir tun, Madam. Haben Sie heute Abend sonst noch etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    Miss Marple überlegte.
    »Es war ja alles so ungewöhnlich, wenn Sie verstehen, was ich meine – «
    »Gewiss. Gewiss.«
    Etwas blitzte in Miss Marples Erinnerung auf. »Ah, doch, da war ein recht ungewöhnlicher Vorfall. Mr Serrocold hat Mrs Serrocold daran gehindert, ihre Medizin zu nehmen. Miss Bellever war ziemlich ungehalten deswegen.« Sie zuckte lächelnd die Achseln. »Aber das ist natürlich nur eine winzige Kleinigkeit...«
    »Gewiss. Tja, Miss Marple, ich danke Ihnen.«
    Als Miss Marple hinausgegangen war, sagte Sergeant Lake: »Sie ist alt, aber sie ist auf Draht.«

Zehntes Kapitel
     
    L ewis Serrocold kam herein, und augenblicklich verlagerte sich der Schwerpunkt des Zimmers. Er drehte sich um, schloss die Tür hinter sich und schuf damit eine Art Privatsphäre. Er setzte sich, nicht auf den Stuhl, den Miss Marple eben frei gemacht hatte, sondern auf seinen Schreibtischstuhl. Miss Bellever hatte Inspektor Curry einen Stuhl angeboten, der seitlich vom Schreibtisch stand, als hätte sie unbewusst Lewis Serrocolds Platz für ihn freihalten wollen.
    Als er sich gesetzt hatte, schaute Lewis Serrocold die beiden Polizeibeamten nachdenklich an. Sein Gesicht wirkte eingefallen und müde. Es war das Gesicht eines Mannes, der eine schreckliche Prüfung durchmacht, und das überraschte Inspektor Curry ein wenig, denn obwohl Christian Gulbrandsens Tod Lewis Serrocold zweifellos einen Schock versetzt haben musste, war Gulbrandsen doch kein enger Freund oder Angehöriger gewesen, sondern nur ein entfernter, angeheirateter Verwandter.
    Auf eine unerklärliche Art schien sich das Blatt gewendet zu haben. Es hatte nicht den Anschein, dass Lewis Serrocold gekommen war, um Fragen der Polizei zu beantworten. Vielmehr schien es, als sei er eingetreten, um selbst eine gerichtliche Untersuchung zu leiten. Den Inspektor irritierte das

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