Fatal Error
erzählen. Deshalb müssen Sie an die Geschichte glauben. Entweder, Sie spielen das Spiel mit, oder Sie verlassen den Zug.«
»Komm schon, Davo, spiel mit!«, sagte Guy, indem er den britischen Banker, dem die amerikanischen Metaphern nur so von der Zunge purzelten, ein bisschen durch den Kakao zog.
»Wir sind hier die Anbieter, David«, sagte Henry. »Je höher der Preis, zu dem wir verkaufen, desto größer unser Gewinn. So einfach ist das.«
»Das stimmt«, sagte die Analystin, deren Stirnfalten jetzt genauso tief waren wie die ihres Kollegen. »Für diese Sache brauchen wir die volle Unterstützung des Managements. Im Laufe von drei Wochen werden wir Sie mit Anlegern in ganz Europa zusammenbringen. Anleger haben eine feine Nase für Manager, die nicht hundertprozentig überzeugt sind.«
»Oh, ich stehe hundertprozentig hinter Ninetyminutes«, sagte ich gekränkt. »Ich stehe nur nicht so ganz hinter einer Bewertung von hundertachtzig Millionen Pfund.«
»Lass es gut sein, Davo«, sagte Guy. »Bloomfield Weiss kümmert sich um die Bewertung. Du und ich, wir kümmern uns um das Unternehmen.«
»In Ordnung«, sagte der Banker. »Im Augenblick gehen wir davon aus, dass wir am 20. März in Amsterdam beginnen, am 21. in Paris sind und am 22. in Frankfurt. Am folgenden Tag gehen wir nach Edinburgh und dann nach London ...«
Ninetyminutes hatte sich von seinem vorweihnachtlichen Tief erholt. Sanjay hatte Owens Stellung übernommen und zusammen mit Dcomsult die Verkaufssoftware in wenigen Tagen zum Laufen gebracht. Noch vor Weihnachten lieferten wir eine ordentliche Menge Kleidung aus. Die Jahrtausendwende kam, ohne unser Computersystem zum Absturz zu bringen. Die deutsche Site war Anfang März online, die französische folgte ihr Ende April. In Helsinki kauften wir ein kleines Unternehmen, das sich auf WAP -Kommunikationsprotokolle für drahtlose Anwendungen -spezialisiert hatte. Dies sollte es den Leuten ermöglichen, sich per Handy in unsere Site einzuloggen, um Fußballergebnisse und -nachrichten abzurufen. Und die Besucherzahlen kletterten unablässig. Das gefiel natürlich auch den Werbeagenturen, sodass wir keine Schwierigkeiten hatten, mit ihnen Verträge abzuschließen.
Doch all das reichte Guy nicht: Je mehr wir erreichten, desto mehr wollte er. Er plante eine noch raschere Expansion. Mehr Werbung, mehr Marketing, die Eröffnung weiterer europäischer Büros, eine gewaltige Aufstockung des Verkaufsbereichs. Für all das brauchten wir Geld. Doch das schien jetzt kein Problem mehr zu sein.
Der Börsengang versetzte alle in helle Aufregung. Die Leute von Orchestra Ventures waren natürlich begeistert von der Idee:
Obwohl sie nicht in der Lage waren, ihre Aktien sofort zu verkaufen, konnten sie den Kurs hinaufsetzen und einen riesigen Gewinn in ihren Büchern ausweisen. Bloomfield Weiss gefiel die Idee, weil sie allen
Beteiligten saftige Gebühren aufdrücken konnten. Guy freute sich, weil er mehr Geld bekam, als er ausgeben konnte.
Und ich freute mich, weil mich der Börsengang zum Multimillionär machen würde.
Das war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Natürlich hatte ich das ganze Abenteuer mit der vagen Hoffnung begonnen, dabei viel Geld verdienen zu können. Theoretisch war der Wert meines Anteils schon in dem Moment erheblich gestiegen, als Orchestra seine erste Investition tätigte. Doch in diesem Stadium hatte ich mir eigentlich nur Sorgen ums Überleben der Firma gemacht. Aber nun würden meine Anteile in wenigen Wochen einen Irrsinnswert darstellen. Natürlich würden die Gewinne zunächst nur auf dem Papier stehen, doch irgendwann in der Zukunft würde ich richtiges Geld bekommen. Was sollte ich damit anfangen? Mir eine eigene Cessna 182 kaufen? Ein Haus an der Corniche erwerben? Meine Kinder nach Broadhill schicken? Auf jeden Fall würde es mein Leben verändern. Ich wäre ein wohlhabender Mann, wie Tony Jourdan. Irgendwie konnte ich mir das, trotz meines Ehrgeizes, nicht vorstellen.
Mir wurde klar, dass mir das Geld wenig im Hinblick darauf bedeutete, was ich mir dafür kaufen konnte. Aber die Gewissheit, es verdient zu haben, war mir schon sehr wichtig.
Nicht nur mir. Auf allen Gesichtern lag ein Lächeln. Jeder hatte einen Anteil an der Firma, jeder würde verdienen. Aber es lag noch viel Arbeit vor uns, daher blieb keine Zeit zum Feiern. Angesichts der ganzen unterdrückten Erregung schien die Firma zu vibrieren. Wir arbeiteten sechzehn Stunden am Tag und schienen nie müde zu
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