Fatal Error
es«, sagte Guy, als er sich aufs Bett fallen ließ.
»Mit dem Gärtner? Er heißt übrigens Abdulatif.«
»Sehr witzig! Mit Mel natürlich, du Idiot. Obwohl ich auch Ingrid mag. Die ist bestimmt ’ne Granate im Bett. Vielleicht mit beiden.«
»Guy!«
»Okay. Mit Mel. Weißt du, ich bin ziemlich sicher, dass sie noch Jungfrau ist.«
»Das erzählt man sich auch in der Schule.«
»Ja, aber woher wollen die das wissen? Du kannst dir nie sicher sein, bis du es, na ja, herausgefunden hast.«
»Kann schon sein.«
»Aber sie ist reif. Eindeutig reif.«
»Wie schön für dich«, sagte ich ohne rechte Begeisterung.
Warum waren die Mädchen immer nur für Typen wie Guy da? Warum lachten Mädchen wie Mel und Ingrid nicht über meine Witze? Weil ich nicht das Selbstvertrauen hatte, welche zu machen, lautete eine Antwort. Weil ich nicht so gut aussah, eine andere. Zweifellos gab es noch viele andere. Mel, Guy, Tony, Dominique, Ingrid, sogar der Gärtner Abdulatif: lauter schöne Menschen. Alle nutzten ihre natürlichen Gaben für einen raffinierten Tanz aus Anziehung und Verführung, dessen Schritte aus einer witzigen Bemerkung, einem gut getimten Blick, einer Berührung bestanden. An Abenden wie diesen, wenn erotische Versprechungen wie schweres Parfüm in der Luft hingen, empfand ich Neid, Frustration und ein schreckliches Gefühl der Unzulänglichkeit.
Ich musste wohl eingeschlafen sein, doch nur für eine Stunde. Als ich aufwachte, fühlte ich mich aufgekratzt, betrunken und verkatert - alles gleichzeitig. Mein Magen revoltierte, und ich hatte einen fürchterlichen Druck auf der Blase, aber meine Beine waren so schwer, dass ich nicht wusste, ob sie mich tragen würden, wenn ich aufstand.
Als ich befürchten musste, dass meine Blase gleich platzen würde, überwand ich meine Schwäche, kroch aus dem Bett und wankte zur Toilette. Anschließend ließ ich mir kaltes Wasser übers Gesicht laufen und trank einen kräftigen Schluck. Mir war übel. Ich ging hinaus in der Hoffnung, die Nachduft würde mir gut tun.
Sie half. Eine sanfte, kühle Brise strich mir übers Gesicht. Um mich herum tobte der eifrige Nachrichtenverkehr Tausender von Insekten. Als ich an die Brüstung trat, erblickte ich die schwarze Silhouette von Cap Ferrat, die sich vom unruhigen Grau der See abhob. In der Dunkelheit konnte ich neben dem einsamen Olivenbaum den zerfallen Wachturm erkennen, der das Haus schweigend behütete, wie er es schon seit Jahrhunderten tat. In der Luft mischte sich der Geruch von Salz und Pinien. Ich beugte mich über die Brüstung und blickte hinab auf die kleine Brandung auf dem Strand. Langsam ging es mir besser.
Ich weiß nicht, wie lange ich so über der Brüstung hing. Vielleicht schlief ich sogar ein. Doch langsam drangen mir Stimmen ins Bewusstsein, die hinter mir im Haus erklangen. Wütende Stimmen. Ich richtete mich auf und lauschte. Es waren Tony und Dominique. Sie sprachen Französisch. Ich konnte nicht genau verstehen, was sie sagten. Bis Dominiques Stimme so laut wurde, dass ich sie auch im Garten deutlich verstand. »Salaud! Une gosse! Tu as baisé une gosse!«
Eine Tür fiel krachend ins Schloss, und der Garten wurde wieder beherrscht vom Geräusch der Grillen, der rauschenden Bäume und der Wellen.
»Salaud! Une gosse! Tu as baisé une gosse!« Mein angeschlagenes Gehirn kratzte die wenigen Brocken Französisch zusammen, über die es verfügte. Das Ganze war ein bisschen zu umgangssprachlich für mich gewesen. Was, zum Teufel, war eine gosse? Eine goose vielleicht, eine Gans? Dann erinnerte ich mich an das Wort baiser aus einem Moliere-Stück, das wir in der Schule gelesen hatten. Küssen. Tony hatte jemanden geküsst, den er nicht hätte küssen dürfen. Und irgendwie bezweifelte ich, dass es eine Gans gewesen war. Hm.
Ich ging zum Gästehaus zurück, kroch in mein Bett und fragte mich, ob das alles wirklich geschehen war. Vielleicht hatte ich es ja auch nur in den falschen Hals gekriegt, wie damals, als ich in einem französischen Diktat das Wort für Vikar - vicaire - mit dem für Jungfrau - vierge - verwechselt hatte, mit höchst nachteiligen Folgen. Wild purzelten die Wörter in meinem Verstand durcheinander, der allmählich jeden Zusammenhang verlor, bis er schließlich in Bewusstlosigkeit versank.
April 1999, The City, London
In den siebzehn Jahren, die ich Guy kannte, war ich mir nie ganz sicher gewesen, ob ich ihm trauen konnte, und war es auch jetzt nicht. Er forderte mich auf, meine
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