Fatal Error
Wohnung zu verlassen und ein bisschen spazieren zu gehen, als das Telefon läutete. Es war Michelle.
»Hi, Michelle. Wie geht’s dir?«
»Gut«, sagte sie, klang aber verkrampft. Es musste schon einiges passieren, bevor Michelle so wirkte. »Ich habe eine Nachricht von Guy.«
»Wirklich?«
»Ja. Er würde heute Morgen gern mit dir sprechen. Um zehn, wenn du es einrichten kannst.«
»Okay«, sagte ich. Ich war neugierig. Außerdem freute ich mich, dass endlich etwas passierte. »Ich komme gleich vorbei.«
»Er würde dich gern bei Howles Marriott treffen.«
Das war eine Überraschung, aber ich nahm an, dass Guy mich in seiner augenblicklichen Stimmung von der Britton Street fern halten wollte.
»In Ordnung. Ich werde da sein.«
Die Büroräume von Howles Marriott lagen in einem Gewirr von engen Gassen und Plätzen in der Nähe der Chancery Lane und der Fleet Street. Es war jenes Straßenlabyrinth, das einst Charles Dickens geschildert hat, nur dass die überfüllten Wohnblocks längst von Fliegerbomben und Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht und durch Gebäude aus roten Ziegeln, Glas und Steinfliesen ersetzt worden waren. Ich fand diese unbewohnte Stille mitten in London ziemlich unheimlich.
Ich wartete in der Empfangshalle. Dutzende von Malen war ich schon hier gewesen, und meist war Mel heruntergekommen, um mich zu begrüßen. Doch dieses Mal wurde ich von ihrer Sekretärin in ihr Büro geführt.
Mel erwartete mich mit Guy. Ich lächelte sie an. Ein Fehler.
»Nimm bitte Platz«, sagte sie ungewohnt abweisend.
Ich setzte mich an ihren kleinen Konferenztisch, auf dem sich in der Vergangenheit so oft unsere Papiere ausgebreitet hatten. Sie saß mir gegenüber, neben mir Guy.
Guy blickte mich kühl an. In den letzten Tagen schien er gealtert zu sein. Die Linien hatten sich tiefer in sein Gesicht gegraben, Sorgenfalten fürchten seine Stirn, und unter seinen Augen lagen tiefe Ringe.
Meine Bemühungen zeigten endlich Wirkung.
»Hallo, Guy«, sagte ich.
Keine Antwort.
»Wir möchten uns mit dir über die Rolle unterhalten, die du bei dem unverlangten Angebot gespielt hast, das Ninetyminutes gerade von Champion Starsat erhalten hat«, sagte Mel.
»Verstehe.« »Streitest du ab, dass du mit ihnen gesprochen hast?« Mels Stimme war neutral und klar, ganz die Stimme der toughen Anwältin.
»Nein«, sagte ich einfach.
Guy lachte verächtlich. »Was hast du dir dabei gedacht? Du weißt, dass die Leute bei Champion Starsat die letzten sind, an die ich Ninetyminutes verkaufen würde. Darüber haben wir vor zwei Monaten gesprochen. Der Vorstand hat entschieden, dass sie sich zum Teufel scheren sollen.«
»Ich bin als unabhängiger Anteilseigner hingegangen.«
»Du bist immer noch ein Direktor des Unternehmens«, sagte Mel. »Du warst an die Entscheidung des Vorstands gebunden.«
»Guy hat mich letzte Woche entlassen.«
»Offiziell bleibst du Direktor, bis du durch den Beschluss einer Vorstandssitzung von deinen Pflichten entbunden wirst. Diese Vorstandssitzung hat noch nicht stattgefunden. Sie ist erst für den späten Vormittag vorgesehen.«
»Egal. Es ist die einzige Möglichkeit für Ninetyminutes. Wie viel hat Champion Starsat geboten?«
»Achtzehn Millionen Pfund«, sagte Guy.
Achtzehn Millionen. Ich rechnete es rasch im Kopf durch. Damit würden wir alle heil aus der Sache herauskommen - Orchestra, ich, Guy, Owen, Ingrid, mein Vater. Wir würden sogar noch einen kleinen Gewinn machen.
»Nicht schlecht.«
»Nicht schlecht? Es ist eine Frechheit! Vor zwei Monaten war das Unternehmen noch zweihundert Millionen wert. Seither ist es weiter gewachsen, und jetzt soll es nur noch beschissene achtzehn wert sein? Ich weiß nicht, wie ich jemals auf die Idee gekommen bin, dich als Finanzdirektor einzustellen, Davo. Du hast wirklich keine Ahnung vom Rechnen.«
»Ich kann ganz gut rechnen«, sagte ich. »In zwei Wochen wird der Wert von Ninetyminutes genau bei null angelangt sein. Achtzehn Millionen Pfund, das macht exakt achtzehn Millionen mehr als null.«
Guy machte eine resignierte Handbewegung. »Du machst mich krank. Ich habe dich als Partner ausgesucht, weil ich dachte, ich könnte mich auf dich verlassen. Weil ich dachte, du wärest jemand, dem man vertrauen könnte. Ich dachte, du hättest begriffen, worum es mir geht. Stattdessen bist du genauso wie alle anderen. Schlimmer noch. Du hast mich verraten, Davo. Das werde ich nicht vergessen.«
Damit hatte er einen wunden Punkt berührt, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher