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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Sohn wie meine Schwester?«
    »Eigentlich nicht«, musste Ellen eingestehen. Amys Nase war breiter, ihre Lippen waren voller. »Offen gesagt, er sieht Ihnen ähnlicher.«
    »Das muss in unserer Familie liegen. Meine Kinder sehen mir auch überhaupt nicht ähnlich. Können Sie sich das vorstellen? Da trage ich neun Monate Zwillinge mit mir herum, und keiner von beiden sieht aus wie ich.«
    »Gerecht ist das nicht.« Ellen bemühte sich zu lächeln. »Will sieht wahrscheinlich seinem Vater ähnlicher. Aber ich habe kein Bild von ihm. Sagt Ihnen der Name Charles Cartmell etwas?«
    »Nein.«
    »Laut Gericht ist er der Vater.«
    »Den Namen habe ich nie gehört. Amy hat sich mit unzähligen Typen herumgetrieben. Sie hatte nie eine ordentliche Beziehung.«
    »Als sie schwanger wurde - was meinen Sie? -, hat sie das dem Vater gesagt?«

    »Sie machen wohl Witze?«, fragte Cheryl spöttisch zurück. »Wie ich mein Schwesterlein kenne, wusste sie gar nicht, wer der Vater war. Den Namen auf dem Formular hat sie sich aus den Fingern gesogen.«
    Ellen lehnte sich nach vorn. »Wenn sie sich den Namen des Vaters ausdenkt - warum ändert sie nicht auch ihren eigenen Namen?«
    »Das weiß ich nicht.« Cheryl zuckte mit den Achseln.
    Ellen überlegte. »Aber ich weiß es. Als sie Will ins Krankenhaus gebracht hat, musste sie sich ausweisen. Wills Vater ist nie in Erscheinung getreten. Deshalb konnte sie seinen Namen erfinden. Hatte Amy vor ungefähr drei Jahren einen Freund, an den Sie sich erinnern?«
    »Oh, sie hatte so viele. Quantität statt Qualität.« Cheryl lachte. Ellen war eher traurig zumute.
    »Fällt Ihnen ein Name ein?«
    »Nein, aber vielleicht hilft Ihnen das zweite Foto weiter. Da ist sie zusammen mit einem Kerl. Die beiden scheinen sehr vertraut miteinander zu sein.« Cheryl gab ihr das Bild. »Es ist das aktuellste Foto, das ich von Amy habe. Sie hat es mir am fünften Juni 2004 gemailt.«
    »Das war einige Monate vor Wills Geburt.«
    Ellen jubilierte innerlich. Amy stand gut gelaunt am Strand, sie trug einen schwarzen Bikini und hielt eine Bierflasche in der Hand. Einen Arm hatte sie um einen Mann mit freiem Oberkörper geschlungen, der mit seiner Flasche der Kamera zuprostete. Will war am dreißigsten Januar 2005 geboren, also musste Amy auf diesem Foto ungefähr im zweiten Monat schwanger sein, falls Aufnahme- und Absendedatum übereinstimmten. Von einem Babybauch
war noch nichts zu sehen; aber dafür war es auch noch zu früh gewesen.
    »Was denken Sie?«, fragte Cheryl.
    »Vielleicht war er Wills Vater.«
    »Das ist genau ihr Männertyp. Sie stand auf böse Jungs.«
    Ellen sah sich den Mann an. Er war ein ziemlich gut aussehender böser Junge. Er hatte kleine Augen und trug einen langen Pferdeschwanz. Irgendetwas an ihm erinnerte sie an Will. Wahrscheinlich war es das schiefe Lächeln, das bei dem Erwachsenen aber mehr wie ein aufgesetztes Grinsen wirkte. Das Foto war zu unscharf, um mehr Details erkennen zu können. Außerdem war es aus einiger Entfernung aufgenommen worden. »Hat sie in der Mail geschrieben, wer der Mann ist? Hat sie erwähnt, an welchem Strand sie waren?«
    »Nein.«
    Ellen dachte laut nach. »Im Juni ist es überall warm. Das Foto könnte also überall aufgenommen worden sein. Was hat sie Ihnen dazu geschrieben, wenn ich fragen darf?«
    »Nichts. Sie hat nur das Foto geschickt. Kommentarlos. Nett, oder?«, fragte Cheryl leicht spöttisch. Ellens Blick verweilte auf dem Paar. Die beiden konnten Wills leibliche Eltern sein. Charles Cartmell - falls er es war - schien leicht betrunken zu sein. Sein linker Arm war tätowiert.
    »Das Bild ist ziemlich unscharf.«
    »Vielleicht liegt es am Drucker. Ich maile Ihnen das Bild, wenn Sie wollen.«
    »Bitte tun Sie das.« Ellen gab Cheryl ihre Mail-Adresse. »Hatte Amy Freundinnen?«

    »Amy war nie mit Mädchen unterwegs. Sie trieb sich nur mit Jungs herum.«
    »Hat sie jemals einen Mann erwähnt?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Könnten Sie vielleicht nachsehen?«
    »Ich habe alle ihre Mails gelöscht.« Cheryl sah auf ihre Uhr. »Es ist schon spät.«
    »Und ich habe noch eine lange Rückfahrt vor mir.« Ellen stand auf, ihre Enttäuschung verbarg sie. »Vielen Dank, dass ich Sie besuchen durfte. Wird Amy mir antworten?«
    »Das wird sie selbst entscheiden.«
    Draußen war es kalt, der Himmel war dunkel und sternlos. Ob der Mann auf dem Foto Charles Cartmell war?
    Vielleicht war es noch nicht zu spät für einen kleinen Abstecher.

31
    Ellen saß

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