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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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bist Thomas, die kleine Lokomotive.«
    Will kicherte. »Sch-sch-sch-sch!«
    »Alle Signale auf Grün!« Ellen sah die Straße hinunter.
Eine feine Schneedecke lag auf den Hausdächern, Schnee überzog die Treppenstufen, die zu den Veranden führten, und die Regenrinnen quollen von der weißen Pracht über. Die meisten Häuser hatten Stein- oder Schindeldächer; dazwischen sah man Doppelgaragen. Narberth war ein Wohnviertel, in dem man seine Nachbarn kannte, in dem jeder sich um den anderen kümmerte.
    Mit Erschrecken dachte Ellen daran, dass ihre Nachbarn bestimmt auch den Flyer mit dem Foto von Timothy Braverman in ihrer Post gehabt hatten. Vielleicht war ihnen aufgefallen, wie sehr er Will glich. Alle in der Straße wussten, dass sie Will adoptiert hatte. Sie hatten alle ihre Artikel gelesen, und sie hatten sogar ein Willkommensfest für Will arrangiert, als er aus dem Krankenhaus kam. Ellen hatte die freundschaftliche Atmosphäre in ihrem Viertel immer gemocht. Aber das war in der Zeit vor dem Flyer gewesen. Jetzt dachte sie mit Beklommenheit daran, wie viel die Nachbarn über sie wussten. Sie drückte Wills Hand.
    »Aua, Mama du tust mir weh.« Er sah erstaunt zu ihr hoch. In seinem voluminösen Schneeanzug sah er wie ein kleiner Pfefferkuchenmann aus.
    »Entschuldigung.« Ellen lockerte ihren Griff wieder. Besorgt sah sie die Straße hinauf und hinunter. Sie wollte keinem Nachbarn in die Arme laufen.
    Zwei Häuser weiter kehrte Mrs Knox, eine ältere Dame, Schnee vom Gehweg. Am anderen Ende der Straße unterhielten sich Elena Goldblum und Terri Raver miteinander, während ihre Kinder im Schnee spielten. Beide waren nicht berufstätig. Sie alle, vor allem die Mütter, konnten sich den Flyer genau angesehen haben. Ellen blieb wie festgenagelt stehen.

    »Mama, gehen wir endlich?«, fragte Will.
    »Ich sehe mir die Straße an. Ist sie nicht schön, mit all dem Schnee?«
    »Gehen wir!« Will zerrte an ihrer Hand, aber Ellens Gedanken wanderten weiter. Normalerweise ging sie mit Will in einen Park, ein paar Häuserblocks weiter, zum Schlittenfahren. Viele von Wills Freunden und deren Mütter würden da sein. Auch Domenico Vargas, der Gelegenheitshausmann. Er würde den Damen aus seiner Thermosflasche wie gewöhnlich ecuadorianischen Kaffee anbieten. Bei ihnen allen hatte der Flyer wahrscheinlich im Briefkasten gelegen.
    »Will, weißt du was?« Ellen kniete nieder, fasste ihn an der Schulter und schaute ihm in die Augen. Sein Gesicht war so schön - diese blauen Augen, die unter seinen zarten Ponyfransen hervorlugten; seine Stupsnase und sein Lächeln - und all das eingerahmt von seiner Kapuze. »Wie wäre es, wenn wir heute woanders Schlitten fahren würden?«
    »Wo?« Will verzog das Gesicht.
    »In Valley Forge. Da war ich zum Rodeln, als ich klein war. Habe ich dir nie davon erzählt? Es ist schön dort.«
    »Und Brett?« Will kräuselte die Unterlippe. »Ist der auch da?«
    »Nein. Aber wir werden ihm erzählen, wie toll es dort ist. Ein bisschen Abwechslung tut uns gut. Sei kein Spielverderber.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Probieren wir’s mal. Es wird bestimmt lustig.« Ellen erhob sich wieder, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zum Wagen, bevor er protestieren konnte. Sie nahm
ihre Autoschlüssel aus der Tasche, öffnete die Hintertür und setzte ihn in seinen Kindersitz. Sie küsste seine kalte Nase. »Das wird ein Abenteuer.«
    Will war sich nicht sicher. »Wir haben Oreo Figaro nicht auf Wiedersehen gesagt.«
    »Er wird es uns verzeihen.« Ellen verstaute den Schneewok im Kofferraum, als Mrs Knox in ihrem schwarzen Anorak plötzlich neben ihr stand.
    »Ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte sie und wedelte mit ihrem roten Handschuh. »Sie gehen Eishockey spielen!«
    »Sie haben’s erfasst.« Ellen öffnete die Wagentür und stieg ein. »Auch Erwachsene wollen den Schnee ab und zu genießen. Wir haben es eilig.«
    »Warum gehen Sie nicht in den Park nebenan?«
    »Alles Gute!« Ellen schloss die Wagentür, startete den Motor und winkte der enttäuschten Mrs Knox zu.
    »Mama?«
    »Was gibt’s?«
    »Connie kann Mrs Knox nicht leiden.«
    »Wirklich?« Ellen fuhr aus der Einfahrt heraus und stellte den Rückspiegel so ein, dass sie Will sehen konnte. »Und warum nicht?«
    »Sie sagt, Mrs Knox ist eine Nichtigtuerin.«
    »Eine was?« Ellen steuerte den Wagen die Straße hinunter. »Du meinst eine Wichtigtuerin?«
    »Genau.« Will kicherte.
    Ellen trat auf das Gaspedal.

36
    Eine Stunde später fuhr Ellen

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