Fatal - Roman
Ellen war wieder unter den Lebenden, nachdem sie in Marcelos Büro in Ohnmacht gefallen war. In seinen Armen war sie zu sich gekommen - sie waren einander zum Küssen nah gewesen, auch wenn es dann doch nicht dazu gekommen war.
»Mama!« Will sauste auf sie zu, seine Turnschuhe quietschten auf dem empfindlichen Parkettboden.
»Mein Schatz!« Ellen ließ ihren Mantel fallen. Sie wollte ihren Sohn hochheben und in die Arme schließen. Connie kam aus der Küche, sie freute sich über Ellens frühe Rückkehr und trug bereits ihr Wochenend-Outfit, graue
Stretchhose mit einem Lions-Football-Sweatshirt darüber.
»Hi, El. Sind die Straßen vereist?«
»Nein. Danke, dass du den Gehweg freigeschaufelt hast.«
»Kein Problem. Will hat mir dabei geholfen.«
»Alle Achtung, mein Großer.« Ellen setzte Will ab, und er begann, um sie herumzuhopsen. Sie hatte Connie von unterwegs angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie sich freigenommen hatte. Ihre Ohnmacht hatte sie mit keinem Wort erwähnt. »Kein Kindergarten heute?«
»Nein. Wir haben vier Bücher gelesen.« Will hob vier Finger hoch, und Ellen schmunzelte.
»Das freut mich für dich!«
»Ich weiß nicht, warum der Kindergarten heute geschlossen ist«, sagte Connie. »Wozu bezahlst du sie überhaupt?«
»Das geht schon in Ordnung.« Ellen umfasste Wills warmen Kopf und strahlte ihn an. »Heute will ich richtig Spaß haben, wie sieht’s bei dir aus?«
»Ich auch.« Will hüpfte herum. Ellen lachte.
»Wie wär’s mit Schlittenfahren? Macht das Spaß?«
»Yeah!«, rief Will.
»Eine gute Idee«, sagte Connie. »Endlich Wochenende, oder?«
»Du sagst es.« Ellen war froh, ihr freigeben zu können. Sie hatte diese Woche genug schuften müssen. »Gegen wen spielen wir dieses Wochenende?«, fragte sie Connie.
»Egal. Niemand kann uns schlagen.«
»Also gewinnen wir?«
»Na klar. Mark spielt vielleicht auch.«
»Auf geht’s, ihr Löwen!«
Ellen fuhr Will durch das seidige Haar. Allmählich fühlte sie sich besser. »Sag Connie danke.«
»Danke, Connie.« Will schlang die Arme um Connies Beine, und Ellen verspürte einen Stich.
Connie beugte sich vor und tätschelte seinen Rücken. »See you later …«
»Alligator« antwortete er, das Gesicht in ihrem Mantel vergraben. Ellen öffnete Connie die Tür und winkte ihr zum Abschied zu.
»Hast du schon etwas zu Mittag gegessen, Kumpel?«
»Nee.«
»Ich auch nicht. Essen wir zuerst etwas und gehen dann zum Schlittenfahren?
»Gleich Schlitten fahren.«
»Nein.« Ellen sah, dass der Esszimmertisch voller Buntstifte und Malbücher war. »Räumst du die Buntstifte weg? Ich kümmere mich ums Mittagessen.«
»Mach ich, Mama.« Will rannte in die Küche und besorgte sich einen Schemel. Oreo Figaro sprang mit seinem charakteristischen Maunzen von der Couch herab, Ellen beugte sich zu ihm und hätschelte ihn zur Begrüßung. Ihr Handy vibrierte. Auf dem Display wurde der Eingang einer E-Mail angezeigt.
Die Mail war von TwinzMom373, Cheryl Martin.
Ellens Brust zog sich zusammen. Sie öffnete die Mail:
Ellen,
ich habe Amy per Mail von Ihrem Anliegen berichtet und ihr Ihre E-Mail-Adresse gegeben. Ich melde mich, falls ich von ihr hören sollte. Aber rechnen Sie nicht damit!
Hoffentlich geht’s Ihrem Sohn besser. Hätte Ihnen gern mehr geholfen.
Alles Gute,
Cheryl
Ellen biss sich auf die Lippen und starrte auf den winzigen Bildschirm ihres Handys. Zumindest war Cheryls Mail an Amy nicht zurückgekommen. Das bedeutete, dass Amys Adresse noch stimmte. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass sie antwortete. Bis dahin konnte sie sich weiterhin den Kopf darüber zerbrechen, ob der Mann am Strand der Autodieb war oder nicht, ob sie Will behalten durfte oder nicht. Eine Frage auf Leben und Tod.
»Mama, ich bin fertig!«, rief Will aus dem Esszimmer. Er kniete auf einem Sessel und versuchte vergeblich, die Stifte in einer Hand zu halten. Sie fielen alle zu Boden, zur großen Freude von Oreo Figaro.
»Komm, ich helfe dir«, sagte Ellen und legte ihr Blackberry weg.
Während des Mittagessens versuchte sie, ihre Angst zu verdrängen. Doch es gelang ihr nicht. Sie blieb da, auch als sie Will seinen Schneeanzug anzog und den Schneewok aus dem Keller holte. Sie schlüpfte in ihren Mantel und ging in die kalte Sonne hinaus; an der einen Hand hielt sie Will, in der anderen den Schneewok. Sie genoss es, die frische, eisige Luft einzuatmen.
»Kalt ist es, Mama!«, sagte Will und stieß vergnügt Atemwölkchen aus.
»Sieh mal! Du
Weitere Kostenlose Bücher