Fatal - Roman
Geht es ihr gut?«
»Hier ist sie doch«, antwortete der Sanitäter und zeigte auf Ellen, die versuchte, Will zu beruhigen.
»Mama! Mama!« Tränen rannen ihm über das Gesicht, seine Unterlippe bebte.
Officer Halbert legte eine Hand auf Bills Arm. »Sir, ist Carol Braverman Ihre Frau?«
»Ja. Wo ist sie? Geht es ihr gut?«
»Kommen Sie bitte mit mir«, sagte Officer Halbert. »Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Aber das ist mein Kind! Mein Sohn! Ist er verletzt? Wo ist meine Frau? Das ist unser Sohn!«
»Mama!« Will war vollkommen verstört. Ellen strich sein Haar zurück. Blut lief seinen Nacken hinunter. Seine Kapuze war mit frischem Blut durchtränkt.
»Es ist alles in Ordnung, mein Schatz. Es ist alles in Ordnung.«
»Wir müssen los!«, rief der Sanitäter. Er schnallte Will
an der Tragbahre fest und schloss die Hecktür. »Wir können, Jimmy!«
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Ellen immer wieder und hielt Wills Hand. Kurz bevor der Krankenwagen losfuhr, drang ein Schrei durch den heulenden Sturm. Bill. An dem Abend, an dem er seinen Sohn wiedergefunden hatte, hatte er seine Frau verloren.
»Okay, kleiner Mann, das wird ein bisschen wehtun«, sagte der Sanitäter und band ein Blutdruckmessgerät um seinen Arm.
»Es ist alles in Ordnung, mein Schatz«, sagte Ellen, aber Will wollte nicht aufhören zu weinen. »Es ist alles in Ordnung. Alles wird wieder gut.«
Ellen empfand plötzlich tiefes Mitleid. Mit Bill, mit Carol, mit sich selbst.
Aber vor allem mit Will.
79
Ellen ließ sich auf einen der stoffbespannten Stühle im Wartezimmer der Notaufnahme fallen. Auf einem Tisch lagen alte Ausgaben von Illustrierten und Sportzeitschriften. Außer ihr waren nur zwei Polizisten im Raum, die fernsahen. Den Ton hatten sie leise gestellt. Will hatte man zur Kernspintomographie und zum Röntgen gebracht.
Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Da tauchten all die Bilder auf, die sie nicht mehr sehen wollte: Rob Moore, wie er Will mit Benzin übergoss; Rob Moore, wie er nervös die Waffe auf Carol richtete; Carol, wie sie sich
schützend vor Will stellte; Bill, wie er schrie, als er von Carols Tod erfuhr.
Das Blut auf ihrer Bluse war getrocknet. Ein klebriger dunkelroter Klumpen. Ob es Carols oder Moores Blut war? Dass sie die Antwort nicht wusste, beunruhigte sie aus irgendeinem Grund.
Vor ein paar Tagen war sie aufgebrochen, um die Wahrheit herauszufinden. Jetzt lag sie offen vor ihr. Sie würde Will zurückgeben müssen. Ihr Verstand begriff das, aber ihr Herz wehrte sich. Wenn er all das überlebte, würde es ihr vielleicht leichter fallen. Ein Geräusch schreckte sie auf.
Bill Braverman, Officer Halbert und ein weiterer Polizist kamen herein. Bills Sportjacke war voller Blut. Sie wollte im Erdboden versinken, als die drei sie ansahen.
»Ms Gleeson?« Halbert lächelte matt. »Wie geht es Ihrem Sohn?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Die Ärzte hier sind sehr gut. Sie werden sehen.« Officer Halbert und sein Kollege nahmen ihr gegenüber Platz. Braverman setzte sich zu ihnen und starrte Ellen feindselig an. Er presste die Lippen zusammen. Das Blut auf seiner Jacke stammte sicher von Carol. Ellen konnte seinem Blick nicht ausweichen.
»Mein herzliches Beileid«, sagte sie zu ihm.
»Danke«, antwortete er mit heiserer Stimme. Seine verquollenen Augen blickten sie immer noch unversöhnlich an. »Ich hätte gern eine Erklärung von Ihnen.«
Officer Halbert hob die Hand. »Mr Braverman, wie ich Ihnen schon sagte, werde ich Ms Gleeson später befragen.«
»Ich kann nicht länger warten«, entgegnete Bill. »Sie sitzt hier, mein Sohn liegt im Krankenhaus, und meine Frau ist tot. Ich muss wissen, was passiert ist.«
»Das entspricht nicht unserem Prozedere.«
»Was interessiert mich Ihr Prozedere?«
Halbert wollte ihm antworten, da schaltete sich Ellen ein. »Er hat ein Recht zu erfahren, was passiert ist. Es gibt keinen Grund, sich an die Formalitäten zu halten.«
Der Officer schürzte die Lippen. »Ihre Aussage werden wir trotzdem gesondert aufnehmen müssen.«
»In Ordnung.« Ellen holte tief Luft und wandte sich an Bill. »Alles fing damit an, dass ich in meiner Post einen Flyer gefunden habe.« Sie berichtete, was sie über Amy Martin und Rob Moore herausgefunden hatte und wie sie heute Abend in aller Eile nach Hause gefahren war. Halbert machte sich Notizen. »Ich fürchtete plötzlich, dass Moore mich und Will ins Visier nehmen könnte. Ich wollte uns beide in Sicherheit bringen. Da
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