Fatal - Roman
Notruf verständigt?«
»Ja.« Ellen stellte sich vor. »Wo bleibt der Krankenwagen?«
»Der ist unterwegs. Sind Sie verletzt?« Officer Halbert musterte sie. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Mantel voller Blut war.
»Das Blut ist nicht von mir. Mein Sohn ist verletzt worden. Wann wird die Ambulanz hier sein?«
»In fünf Minuten, spätestens.« Officer Halberts Ton war förmlich, aber er sah Will besorgt an. »Jemand ist bei Ihnen eingebrochen?«
»Ja, so war es.«
»Ist sonst noch jemand im Haus?«
»Pat!«, rief einer der Polizisten aus der Küche. »Hier liegen zwei Tote!«
»Wir müssen so schnell wie möglich hier weg«, sagte Ellen. »Er blutet am Kopf. Können Sie uns nicht ins Krankenhaus fahren?«
»Besser, Sie warten. Im Krankenwagen kann man Ihren Sohn schon auf der Fahrt behandeln.«
Officer Halbert tätschelte Wills nackte Füße. Dann zückte er Bleistift und Notizblock. »Ms Gleeson, warum erzählen Sie mir nicht, was passiert ist?«
»Hat das nicht Zeit? Mein Sohn ist jetzt das Wichtigste. Ich möchte auf die Ärzte warten. Es ist auch nicht gut, in seiner Anwesenheit darüber reden.«
»Ich will hier keine Aussage von Ihnen aufnehmen. Das machen wir später auf dem Revier. Ich weiß, wer Sie sind. Meine Frau liest Ihre Artikel.« Er lächelte freundlich. »Wir reden einfach miteinander, bis der Krankenwagen da ist.«
»Es ist eine lange Geschichte. Der Einbrecher hatte einen Revolver und wollte mich und meinen Sohn umbringen. Er hat Benzin über ihn gegossen.« Ellen sah zu Will, der den Polizisten anstarrte. Sie wusste aber, dass er ihr zuhörte. »Dann kam eine Frau namens Carol Braverman dazu. Der Einbrecher hat sie erschossen, als sie versucht hat, Will zu retten. Ich habe versucht, sie wiederzubeleben, aber es war zu spät.« Ellen bemühte sich, die Fassung zu bewahren. »Sie sind in der Küche.«
»Sie meinen die Leichen?«
»Ja.« Vor dem Haus hörte man jetzt den Krankenwagen. »Sie sind da.«
»Dann gehen wir.« Officer Halbert steckte Stift und Notizblock ein. »Wir begleiten Sie zum Krankenhaus, Ms Gleeson.«
Halbert und ein paar Kollegen verließen mit Ellen das Haus. Sie drückte Will fest an sich, um ihn vor dem Sturm zu schützen. Ein Sanitäter sprang aus dem Krankenwagen und öffnete die Hecktür. Kaltes, fluoreszierendes Licht fiel heraus.
Ellen kämpfte sich in ihren Stiefeln durch die nassen Schneemassen.
»Richtig viel Schnee!«, sagte Will.
»Schon über zwanzig Zentimeter«, ergänzte Officer Halbert, der Ellen zur Beruhigung am Arm fasste.
»Ist das der Junge?«, rief der Sanitäter. Er musste mit seiner Stimme den Motorenlärm übertönen. Ellen legte ihm das Kind in die Arme.
»Ja. Er ist drei Jahre alt und blutet hinterm Ohr. Jemand hat ihm auf den Kopf getreten.«
»Sie fahren mit.« Der Sanitäter kletterte mit Will in den Wagen. Ellen folgte ihm.
»Jetzt geht’s los, Will«, sagte sie und streichelte mit der Hand seine Füße. Warum hatte sie ihm keine Socken angezogen? »Wir fahren in einem Krankenwagen. Ist das nicht toll?«
»Halt! Halt!«, schrie jemand. Alle drehten sich um. Eine schwarze Limousine hatte hinter den Streifenwagen gehalten. Ein Mann lief im Schneesturm auf sie zu. Er wedelte mit den Armen, seine Sportjacke flatterte im Wind. Die Polizisten versperrten ihm den Weg. Ellen erkannte den Mann, als sie in sein verängstigtes Gesicht sah.
Es war Bill Braverman.
»Halt! Warten Sie!« Es kam zu einem Handgemenge, denn Bill wollte zur Ambulanz. Die Polizisten hielten ihn zurück. Ein eisiger Wind kam auf, der die Schneeflocken durch die Luft wirbelte. Schließlich gelang es Bill, sich loszumachen. »Warten Sie! Lassen Sie mich hinein!«
»Mister, gehen Sie! Wir haben es eilig«, schrie ihn der Sanitäter an. Ellen sah, dass Bills Augen strahlten. Er hatte Will gesehen.
»Timothy!« Bill breitete die Arme aus. Will begann zu weinen. Er fürchtete sich.
»Mama!«, schrie er. Ellen sprang auf und stellte sich Bill in den Weg.
»Mr Braverman, wir klären das später. Ich muss ihn ins Krankenhaus bringen. Er hat eine Kopfverletzung.«
» DU! « Bill wurde rabiat. » Du bist diejenige! Du bist die, die mein Kind adoptiert hat!« Er versuchte, in die Ambulanz zu klettern, doch die Polizisten hinderten ihn daran. »Das ist mein Junge! Das ist Timothy! Wo ist meine Frau? Was hast du meiner Frau angetan?« Er wandte sich voller Wut an die Polizisten, die ihn abschirmten. »Ich bin Bill Braverman. Wo ist meine Frau? Ist sie hier?
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