Fatales Vermächtnis
bestehen.« Er trank seinen Becher leer. »Wenn ich sie vernichtet habe, wer garantiert
mir, dass du mir das Leben lässt, Bardric?«
»Wir werden sehen, welche Entwicklung du nimmst, Vahidin. Es wird keine Entscheidung von heute auf morgen sein § es sei denn, du lässt mir keine andere Wahl«, gab sich Lodrik gnädig. »Zuerst töten wir Zvatochnas Seele, dann schauen wir, was wir mit dir machen.«
Soscha nickte Lodrik zu. »Versuchen wir es ein drittes Mal mit Nekromanten und deren Seelen nach ihrem Tod.«
Lodrik nahm einen Schluck. »Es wird eine rastlose Seele sein, die in alles einfahren kann, was eine Kreatur war und tot ist. Diese Leichname steuert sie, als wären sie lebendig. Vernichtet man die leeren Hüllen, geschieht ihr hingegen nichts.«
Soscha dachte nach. »Du hast die Seelen mit deinem Blut an dich gebunden«, sprach sie, und sie schüttelte sich bei dem Gedanken, dass es ihr einst ebenso-ergangen war. »Wie bringt es Zvatochna nun zustande, wo sie über keinen eigenen Körper mit Blut in den Adern verfügt? Ich habe die Seelen um sie kreisen sehen, demnach scheint sie noch immer Macht über sie zu besitzen.«
Lodrik zuckte mit den Achseln. »Darüber stand nichts in dem Buch. Es mag sein, dass die alten Seelen ihr die Treue halten und sie keine neuen hinzugewinnen kann. Vielleicht hat sie deshalb keinen weiteren Angriff unternommen: Sobald die Seelen ihren
Lohn verlangen und sie nicht zahlen kann, werden sie einen Aufstand anzetteln.«
Vahidin fuhr die Maserung des Tisches mit dem Fingernagel nach. »Also ist sie auf der Suche nach dem richtigen Ziel für ihren
Angriff.«
Lodrik stimmte ihm zu. »Du wirst nachsehen, wohin die Wolke mit ihr treibt. Wir folgen ihr und stellen sie, sobald sich die Gelegenheit ergibt.« Er zeigte nach oben. »Legen wir los, Vahidin. Geh und finde sie, wie es dir schon einmal gelungen ist. Soscha wird dich begleiten, ich wache über deinen Leib.« Er sah ihm in die braunen Augen. »Bedenke: Es kostet mich einen Gedanken, und du bist ausgelöscht.« Lodrik stand auf und ging voran, Vahidin und Soscha folgten ihm. Die Dörfler schauten ihnen nach, dann steckten sie die Köpfe zusammen.
XIII.
Kontinent Ulldart, Baronie Serinka, Nordgrenze, Spätsommer im Jahr | Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)
Gistan saß zusammen mit Brujina und ihren Begleitern auf der
Veranda eines gewaltigen Anwesens, das hoch oben auf der Spitze eines stattlichen Hügels thronte und von dem aus man einen ausgezeichneten Blick über die künstlich angelegten Weinberge hatte; vor ihnen standen Gläser mit Wasser und Saft.
Sie trugen einfache, weite Straßenkleider, unter denen | wiederum Lederrüstungen verbargen. Ihre Waffen lagen in den Falten des weichen Stoffes geschickt versteckt. Brujina sah hinüber zu einem schroff abfallenden Berg, dessen eine Wand beinahe senkrecht nach unten verlief. Schmale Terrassen zogen sich ringsherum, auf denen Rebstöcke standen und sich im Lufthauch wiegten. Der Fels dahinter war schwarz wie die Nacht. »Das Wasser wird mit Seilzügen nach oben geschafft. Es kommen jedes Jahr Erntehelfer ums Leben, weil sie sich nicht sichern, wenn sie auf den schmalen Terrassen arbeiten«, erklärte sie Gistan.
»War das früher ein Steinbruch?« Er deutete zum Berg. »Seine Form erinnert mich daran.«
»Das stimmt. Serinka ist für zwei Dinge berühmt: die besten Weine des Kontinents und den schwarzen Marmor, den et in dieser Güte ansonsten nirgends mehr gibt.« Brujina nahm sich einen Bittersüß-Apfel aus der Schale, die auf dem Beistelltisch stand, und zog ihr Messer, um ihn zu schälen.
»Der Berg war einst ein Steinbruch, und als es keinen Marmor mehr gab, hat Baron Rem-hold Erde auffüllen und Rebstöcke pflanzen lassen. Angeblich
sind sie nun mehr als vierhundert Jahre alt und lassen die besten Trauben an ihren Zweigen wachsen.«
»Aha.« Gistan war beeindruckt. Er wusste von Serinka nur, das es die älteste der Baronien war und sich vor mehr als sechshundert Jahren schon als unabhängig erklärt hatte. Dunkel war das Kapitel der Geschichte, als Sinured an die Macht gekommen war: Serinka hatte sich ihm unterworfen und einen blutigen Sturm verhindert. »Wen treffen wir, sagtet Ihr?«
Brujina lachte. »Ihr seid ungeduldig.«
»Wärt Ihr das nicht?« Gistan legte die Füße auf den Stuhl neben ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir waren wochenlang unterwegs...«
»Das musste sein. Wegen der Spione des Dicken«, sagte Brujina. »Es gab doch
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