Fatales Vermächtnis
keinen Grund zur Beschwerde, oder? Ihr hattet stets die beste Unterkunft, tragt neue Kleidung und habt immer Geld in der Tasche.«
Gistan nickte, war aber alles andere als glücklich. »Ich möchte mein eigenes Zuhause, wie es mir versprochen wurde. Und ich will denjenigen kennenlernen, der Euch den Auftrag gab.«
»Das werdet Ihr.« Brujina hatte die Schale entfernt und teilte den Apfel in acht gleich große Stücke. Eines bot sie Gistan an, der ablehnte. »Eure Morde, das war sehr beeindruckend«, sagte sie und biss ein Apfelstück ab. Ihre Begleiter nahmen sich ebenfalls welche. »Das wollte ich Euch noch sagen. Es scheint, als hätten wir den Richtigen unter den Kandidaten herausgefunden.« Die Männer lachten. Gistan streckte sich und roch den Mittagswind, der ihm den Geruch von frischen Blättern und warmem Stein zutrug, dazu gesellten sich Blüten von wilden Kräutern. »Hier kann man es aushalten«, meinte er müde. »Es ist lediglich etwas zu einsam und
still hier.«
»Die Abgeschiedenheit ist ein wertvolles Gut«, meinte Brujina. »Man kann tun und lassen, was man möchte.« Sie deutete mit dem Messer nach Nordosten. »Da hinten, hinter dem Berg, liegt Rublizca, keine zwei Stunden mit einem guten Pferd, Es ist eine kleine Stadt, mehr als zweitausend Seelen werden da nicht leben, doch sie bietet alles, was man benötigt.«
»Mir ist unterwegs aufgefallen, dass sehr viele tersionische Banner an den Häusern wehten«, sagte Gistan und goss sich Saft ein. »Ist das nicht etwas weit weg? Wie kam die Verbindung denn zustande?«
»Graf Tandewöl der Lange hat seine Cousine vor ein paar Jahrzehnten an den damaligen Kronprinzen von Tersion verehelicht. Das war noch vor Alana der Zweiten«, erklärte sie. »Sein Sohn Tandewöl der Dicke hat eine Vorliebe für das Reich der Regentin und ist ganz vernarrt in alles, was von dort kommt und was er für Geld kaufen kann. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es gibt einige Exilanten aus Tersion hier, die nach dem Durcheinander geflüchtet sind und abwarten, wie sich ihre Heimat entwickelt.«
»Sind nicht sehr viele Edelmänner in Serinka eigentlich aus Aldoreel?« Gistan fühlte den Schlaf in sich aufsteigen. Noch eine halbe Stunde, und er würde auf seinem Stuhl eindösen.
»Ja, und die Neulinge machen sie reichlich nervös«, lachte Brujina. »Sie bangen nun um ihre Stellung, ihre Privilegien und ihren Einfluss bei Tandewöl.«
Sie sahen eine Staubwolke zwischen dem Rebenwald aufsteigen, bald hörten sie Hufschlag. Brujina erhob sich. »Ihr wartet«, sagte sie zu Gistan und ging mit einem der Männer ins Haus zurück. Gistan hob die Hand als Zeichen, dass er verstanden hatte. Er nickte seinen Begleitern zu, die ihn wie meistens missachteten, und nahm sich einen Apfelschnitz.
Er kaute und überlegte, wie er sein Leben gestalten wollte. Er würde ein Magier in den Diensten eines Unbekannten sein, was ihn nicht sonderlich störte. Alles war besser, als Diener in Hustraban zu sein. Dass er für ein besseres, sorgenfreies Leben morden konnte, hatte er bewiesen. Gistan hielt sich nicht für schlecht, er betrachtete sich vielmehr als Söldner: Wer am meisten gab, dem folgte er; und Konkurrenz räumte er aus dem Weg, wie Valeria und Ormut. Der Alte hatte sich geweigert, den Beutel abzugeben, und die
hübsche Frau hatte ihn überrascht und ihn in ihr Zimmer gezerrt.
Gistan grinste, als er Valeria vor sich sah, die das Gleiche wie er vorgehabt hatte: den Alten zur Herausgabe der Münzen zu
bewegen. Aber sie war zu spät gekommen, und als sie es bei ihm
versucht hatte, hatte er sie töten müssen. Sie hätte ihn niemals davonkommen lassen. Er vernahm Schritte und dann eine Unterhaltung. Eine Stimme erkannte er als Brujinas, die andere war eine Männerstimme.
Gistan blieb sitzen. Sie wollten etwas von ihm, nicht er von ihnen. Auch wenn er die Krieger beeindruckend fand, die Brujina als Leibwächter engagiert hatte, er fürchtete sich nicht vor ihnen. Auf seine Magie war Verlass, das wusste er.
»Hier ist er«, sagte Brujina deutlich und stellte sich vor ihn. Sie wurde von einem großen, muskulösen Mann begleitet, der lediglich eine breite Schärpe um den Oberkörper trug. Er war nicht älter als dreißig Jahre, aber die vielen Narben auf seiner Haut verrieten, dass er einige Wunden und Kämpfe überstanden hatte. Die Beine steckten in voluminösen hellen Hosen, und auf dem Rücken trug er ein Schwert mit einem ungewöhnlich langen Griff; am Gürtel baumelte ein
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