Fatales Vermächtnis
Meuchler. »Er wird uns geradewegs in die nächste Nicti-Einheit führen.«
»Es ist mehr als eine Verliebtheit«, sagte Lodrik.
»Und doch hat es auf uns die gleichen Auswirkungen, Herr.«
Der Assassine schaute verdrossen. »Wir sind keine Soldaten, die
für eine Schlacht im offenen Feld ausgebildet wurden.«
»Ihr werdet uns dennoch nützen.« Lodrik überlegte, ob er eine Andeutung wagen durfte. »Meister Hetral befehligt den Orden, habe ich vernommen. Gibt es außer ihm noch jemandem, dem Ihr Gehorsam schuldet?«
Der Meuchler schwieg, und das war ihm Antwort genug. Vintera schien ihr Wort diesbezüglich nicht gehalten zu haben.
Soscha musste zugeben, dass sich Vahidin mit enormer Geschwindigkeit vorwärtsbewegte, aber dennoch bedeutete es für eine Seele wie sie keinerlei Herausforderung. Sie hatte keine Vorstellung, wie schnell sie flog, aber es gab auf Ulldart nichts, was mit ihr mithalten konnte — außer einem Sturmwind.
Sie folgte den Spuren und hatte Vahidin bald ausgemacht. Er lag zusammengekauert unter einer Blutbuche, die Waffen in den Händen. Soscha nahm an, dass ihm die Erschöpfung die Augen zugedrückt hatte. Sie würde diesen Umstand nutzen.
Die Ahnung, dass er ihr eine Falle gestellt hatte, kam einen Gedanken zu spät - da wurde sie von einem Schlag getroffen, der sie zwischen die Bäume schleuderte.
Ich wusste, dass du mir folgen würdest, Soscha, hörte sie Vahidins überhebliche Stimme. Nachdem Bardric mir nichts anhaben kann, wollte ich herausfinden, wie gefährlich du mir tatsächlich zu werden vermagst.
Soscha sah sich um und entdeckte den heranstürmenden Geist des jungen Mannes. Er war keine Kugel wie sie, sondern ein tat* sächliches Abbild des menschlichen Körpers, jedoch in dunklem, wütendem Rot.
Sie wich ihm aus und dachte, dass ihr das Manöver gelungen wäre, doch er traf sie mit der Faust und fügte ihr Schmerzen zu, wie sie sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Es war körperlich, brutal und stumpf; sie schrie.
Anscheinend ist nicht nur Bardric ein Angeber, lachte Vahidin
sie aus und zog sich zurück.
Sie folgte ihm und sah, wie sein Geist in den Körper zurückschnellte. Sie nahm feste Gestalt an und trat vor ihn, während er die Augen öffnete und sich aufrichtete. »Du hast mich überrascht. Das war alles.«
Er griente. »Und jetzt bist du besser vorbereitet und stehst vor mir, um mich zu bedrohen und zu zwingen, zu eurer Truppe zurückzukehren?« Vahidin hob ein Schwert, das harmlos wirkte. Nichts deutete auf seine besonderen Fertigkeiten hin. »Richte ihnen aus, dass ich die Königin der Nicti ohne sie vernichten werde. Bardric hat in mir das Göttliche meines Vaters erweckt, ich spüre es deutlich. Ich bedanke mich, indem ich ihm Arbeit abnehme.«
»Und wenn es geschehen ist?«
Er verstaute die Waffen. »Sehen wir weiter.« Vahidin zeigte ihr seine magentafarbenen Augen und die geschlitzten Pupillen ganz unverhohlen; zusammen mit dem kahlen Schädel wirkte er wie eine Kreatur aus einem Albtraum.
»Es wäre besser, wenn du...«
»Ich weiß, was ihr vorhattet, denn ich habe gute Ohren. Ihr wolltet mich ermorden, nachdem ich meinen Dienst getan hätte. Ihr traut mir nicht, und das verstehe ich. Dennoch muss ich es nicht hinnehmen. Niemand stirbt gern. Nicht, wenn ihm viele Wege offen stehen.« Vahidin langte an seinen Gürtel, griff in ein Säckchen und nahm getrocknete Kräuter hervor, die er in den Mund steckte und kaute.
»Estra ist von Zvatochna besessen. Wir wollen sie retten und nicht anstelle von Zvatochna büßen lassen«, rief Soscha eindringlich. »Verschone die Inquisitorin!«
»Ein weiser Mann sagte einst, dass auf einzelne Schicksale keine Rücksicht genommen werden kann, wenn große Taten vollbracht werden müssen«, erwiderte er kalt. »Ihr habt meine Kinder getötet, ohne nach ihnen zu fragen. Ihr nahmt keine Rücksicht, warum sollte ich auf Estra welche nehmen?«
Soscha dachte fieberhaft nach, doch ihr wollte keine passende
Erwiderung einfallen. »Es gibt bestimmt eine Lösung, um ihr das
Leben zu lassen«, bat sie vage.
»Sicher, Estra ist lediglich das Gefäß. Aber um an den verdorbenen Inhalt zu gelangen, muss ich das Gefäß zerschlagen. Es führt kein Weg daran vorbei.« Vahidin blickte nach Norden. »Ich muss weiter. Kommt mir nicht in die Quere, das ist mein Rat an euch. Meine Kräfte richten sich gegen alle, die zwischen mir und Estra stehen.«
Soscha wurde zur Seelenkugel und unsichtbar für das menschliche Auge.
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