Fatales Vermächtnis
hoffte, dass Zvatochna mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
»Sag mir, was geschehen ist, Bardric«, vernahm er Soschas Stimme und schaute nach rechts. Sie lief neben ihm her, ohne
Fußabdrücke im Weiß zu hinterlassen, während er bei jedem Schritt bis zur Hüfte einsank und sich vorwärtsquälte. Er hatte sie nicht bemerkt. Dafür hatte sie sehr wohl bemerkt, dass er sich verändert hatte.
»Ich schätze, ich habe mich verlaufen.«
»Du bist zum ersten Mal an diesem Ort, und schon deswegen kannst du dich nicht verlaufen haben. Du irrst durch die Gegend, das ist etwas anderes«, befand sie. »Aber das meinte ich nicht. Du hast mich freigegeben und von der Bindung entlassen, die ich eingegangen bin, als ich von deinem Blut trank...« Sie schwebte vor ihn und sah unter die schneebedeckte Kapuze. Mit einem überraschten Ausruf fuhr sie zurück. »Bei den Göttern! Jetzt verstehe ich es. Du bist kein Nekromant mehr!« Sie umkreiste ihn. »Wie ist das vonstattengegangen? Ich glaube nicht, dass du einfach so...« Unmittelbar vor ihm verharrte sie. »Da ist etwas. In deiner Brust, Bandriß. Es gehört nicht in diese Welt, und es schimmert sehr merkwürdig.« Soscha versuchte, durch ihn hindurchzugehen - und scheiterte. »Was ist geschehen, während ich weg war?«, flüsterte sie.
Lodrik blieb stehen, zog seine Robe enger um den dünnen Leib. Jetzt hätte er jede noch so kleine Unze Fett am Körper dringend nötig gehabt, und er verspürte einen Hunger wie seit Jahren nicht mehr. Ein ganzes Schwein wäre nicht genug. »Hast du sie entdeckt?«, fragte er bibbernd.
»Ich sage erst etwas, wenn du mir berichtest, was vorgefallen ist!«, verlangte sie.
»Sobald ich in einer warmen Hütte sitze.« Er zitterte vor Kälte. »Lange halte ich es nicht mehr durch.«
Soscha verzog den Mund. »Es gibt eine Schneehütte, etwa einen halben Warst von hier. Sie ist von Jägern errichtet worden, steht jedoch leer. Du wirst Feuerholz und ein paar Vorräte vorfinden.« Sie schwebte voran. »Ich führe dich.«
Es waren die längsten fünfhundert Schritte seines Lebens -jedenfalls kamen sie ihm so vor. Als er sich endlich durch die vom Wind aufgehäufte Wand aus Schnee vor dem Eingang gegraben hatte, kroch er entkräftet über die Schwelle und benötigte etliche Anläufe, bis er das Feuer im Ofen entzündet harte.
Dann zog er die Kleidung aus, setzte sich nackt vor den heißen Herd und ließ die Wärme auf sich wirken. Dabei sah er an sich herab und bekam die Gewissheit, dass es keinerlei Narben an ihm gab. Und er war nicht mehr totenbleich, sondern besaß die gewöhnliche Hautfarbe eines Lebendigen. Soscha stand neben dem Herd und betrachtete ihn nicht minder fasziniert. »Du bist wieder ein Mensch, Bardric!«, staunte sie und fühlte zugleich Neid und Zorn in sich. »Wie können die Götter dir dieses Privileg gewähren, der du Unschuldige ohne Zögern getötet und den Kontinent beinahe ins endgültige Verderben gestürzt hast?! Du hast so viel Leid gebracht, dass alle Buchseiten Ulldarts nicht ausreichten, es niederzuschreiben. Aber mich lassen sie als Seele über den Kontinent ziehen! Was habe ich mir zuschulden kommen lassen, um diese Ungerechtigkeit zu verdienen?«, haderte sie laut und richtete die Augen anklagend zur Decke.
»Ich habe nicht darum gebeten«, murmelte Lodrik und massierte die tauben Füße. Nicht mehr lange, und sie wären abgestorben. Der Duft von Hartwurst stieg ihm in die Nase; je wärmer es in der Hütte wurde, umso intensiver entfaltete die Umgebung ihre Gerüche. Er sah die Wurst über sich am Balken baumeln. Hungrig riss er sie von der Decke und schlug die Zähne hinein. »Vintera hat entschieden, dass ich wieder ein Mensch sein soll«, sagte er mit vollem Mund.
Es war ein besonderes Erlebnis. Die Wurst besaß einen Geschmack! Weder fühlte er sich abgestoßen noch nach einem Bissen satt. Er schlang sie gierig in sich hinein. Und er wollte mehr davon.
»Vintera? Sie ist dir erschienen? Lodrik nickte kauend.
Soscha stieß einen lauten Fluch aus. »Dann ist es ihr Mal, das ich in deiner Brust sehe und das mich hindert, dich zu durchdringen. Verstehe einer die Götter! Wäre ich sie, hätte ich dich eher vernichtet als erlöst.« Bebend stierte sie ihn an und beobachtete
ihn beim Essen. »Weißt du dieses Geschenk zu schätzen, Bardric?«
Lodrik schluckte. »Ich halte es für unangebracht, wenn man die Folgen daraus bedenkt«, antwortete er besonnen.
Sie verstand sofort. »Wenn du kein
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