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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gedankenverloren mit den Fingerspitzen, wie sie es als Kind gern in der Natur getan hatte. Sie spürte die verschiedenen Beschaffenheiten der Pflanzen: flaumig, glatt, rau. Norina war sich sicher: Heträl hatte ihr eine Drohung überbracht, die er eher Hinweis genannt hätte. Diese Organisation hatte sich zur Kontrollinstanz über die gekrönten Häupter aufgeschwungen, die den Frieden und die Ruhe über alles stellte.
    Somit gerieten nicht nur Attentäter und Aufrührer auf die Liste, sondern auch all diejenigen, welche durch ihr Handeln Verwirrung schufen. Aber ab wann würde diese Organisation zu handeln beginnen? Müsste jeder Reformer einen Pfeil aus dem Hinterhalt fürchten? Was verstanden sie unter Frieden'?
    Norina bog in den Teil des Gartens ab, in dem die kleineren Blumen wuchsen, und sah einen Gärtner bei der Arbeit; neben ihm lagen die Gerätschaften, die man zur Pflege benötigte, und darunter befand sich auch eine Sichel.
    Beim Anblick des gekrümmten Schneidenblatts durchzuckte sie es. »Die Schwarze Sichel ist zurück«, sagte sie zu sich selbst, wandte sich auf den Absätzen um und eilte ins Arbeitszimmer. Norina war sich sicher: Heträl hatte es ihr mit Absicht offenbart, damit sie alle anderen Regenten warnte!
    Sie setzte sich und schrieb Perdor einen Brief, in dem sie die Ereignisse schilderte. Haarklein berichtete sie jede Einzelheit der Unterredung.
    Abschließend möchte ich anmerken, lieber Freund, dass auch die Angst eine wirksame Instanz ist. Die Herrscherinnen und Herrscher sollten sich bei ihren Entscheidungen allerdings nicht von dem Wissen um den Antrieb
    der Schwarzen Sichel beeinflussen lassen. Die Souveränität
    muss gewahrt bleiben. Andernfalls können wir die Schwarze
    Sichel gleich als Könige einsetzen.
    Ich überlasse es Euch zu entscheiden, ob wir den Herrscherinnen und Herrschern die volle Wahrheit sagen oder sie im schmeichelnden Glauben lassen, sie verfügten über geheime Leibwächter. Sie unterschrieb, siegelte das Papier und übergab es einem Boten, der sich sofort auf den Weg zu Perdor machte.
    Norina verfasste weitere Zeilen für Lodrik, in denen sie ihn über Meister Heträl und die Schwarze Sichel aufklärte; insgesamt fertigte sie fünf Abschriften an. Eine davon würde ihren umherreisenden Gemahl erreichen.
    »Das hat Ulldart noch gefehlt, dass sich Meuchler zu Königen aufschwingen.« Sie sandte fünf Boten, die sie lediglich in eine ungefähre Richtung schicken konnte. Die letzte Meldung über Lodriks Aufenthaltsort lag lange zurück, deswegen griff sie auf mehrere Reiter zurück. Einer würde ihn sicherlich finden.
    Dann nahm sie die Niederschriften zur Hand, die ihr der Gouverneur zum Studieren mitgebracht hatte. Darin ging es um die Staatsfinanzen Borasgotans, doch so sehr sie sich bemühte, in den Zahlen etwas zu erkennen und Schlüsse daraus zu ziehen, wie sich der marode Haushalt in den kommenden Jahren verbessern lassen könnte, in Gedanken war sie bei Heträl und Lodrik.
    Kontinent Kalisstron, 21 Meilen östlich von Bardhasdronda, Spätfrühling im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)

    Tokaro!«
    Der Ruf traf ihn unvorbereitet in den Rücken, und auf den Klang der Stimme hatte er sich gefreut und gleichzeitig davor gefürchtet.
    Er wendete Treskor und sah Estra, die neben Lorin auf der Straße lief und winkte. Seine blauen Augen huschten zwischen den beiden hin und hei; während er versuchte, seine verwirrenden Empfindungen zu ergründen. Liebe, Eifersucht, Wut, Sorge I sie tanzten umeinander. Gän blieb stehen und drehte sich auch um. »Und ich dachte, wir werden sie lange suchen müssen«, murmelte er. Auch ihm hörte man an, dass er das Wiedersehen mit gemischten Gefühlen betrachtete. Bezeichnenderweise rührten er und Tokaro sich nicht, sondern verharrten und warteten, dass Lorin und Estra zu ihnen aufschlössen.
    »Es ist schön zu sehen, dass ihr alle unverletzt...« Lorin entdeckte die Wunde am Nimmersatten.
    »Es geht schon«, brummte Gän. »Dafür ist der Qwor tot.«
    Lorins Augen wurden groß. »Ihr habt einen von ihnen getötet?«
    »Wenn du uns nicht glaubst...«, erwiderte Tokaro und klang selbstherrlich wie eh und je. Er warf den Rucksack vor die Füße seines Halbbruders. »Da drin sind die Überreste von ihm. Den Rest verzehren die Möwen, die Krebse und das Meer.«
    Estra sah am Ausdruck in den Augen ihres Liebsten, dass er seine Überlegenheit und Kühle vortäuschte; in Wirklichkeit fühlte er sich mindestens so unsicher wie sie.

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