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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Eindruck vermittelte, über den Menschen zu thronen.
    Nacheinander öffnete er die Fenster, und warmer Wind spielte mit den Vorhängen. Sie zuckten und tanzten, als seien sie lebendige Wesen.
    In der Mitte des Raumes ließ er sich nieder, winkelte die Beine an und entzündete das kleine Kohlefeuer, gab Pülverchen hinein
    und sprach die jengorianischen Formeln, um die Geister des Windes anzurufen. Die Gesten, die er dabei vollführte, waren ihm vertraut und doch nach wie vor fremd. Es war eine so gänzlich andere Kultur,
    und er ermahnte sich, dass er die verschiedenen jengorianischen Lager unbedingt ausrotten musste, sobald die Eroberungen abgeschlossen waren. Er mochte keine Nebenbuhler. Niemand sollte ihm seine Macht über Geister streitig machen können.
    Vahidin fiel in Trance, und seine Sicht veränderte sich.
    Zwischen den wehenden Stoffbahnen sah er die Stadt in mattem Graublau. Es gab nichts, was auf ungewöhnliche Vorgänge hindeutete. Der Ostwind strich als ockerfarbene Bahn über die Dächer und durch die Gassen; wo er stärker wurde, intensivierte sich der Farbton.
    »Geist des Ostwindes«, sprach Vahidin. »Ich grüße dich und trete mit einer Bitte an dich heran. Finde jemanden für mich.«
    Der Geist, nichts weiter als schimmernde braungelbe Bänder, die sich umeinander wickelten, verknoteten und sich ebenso entwirrten, näherte sich ihm. »Ich habe dein Rufen vernommen, doch du bist kein Tsagaan und kein Mensch«, hörte er das Säuseln des Windes, in dem Neugierde lag. »So etwas wie dich habe ich noch nie gesehen.«
    »Es tut nichts zur Sache, was ich bin. Ich bitte dich, mir einen Gefallen zu tun«, sagte Vahidin mit tiefer Kehlkopfstimme, die wie aus einer anderen Sphäre klang; nur damit erreichte man die Geistwesen, normale Stimmen wirkten weitaus schlechter auf sie. »Ich breite meine Erinnerung an die Frau vor dir aus, Geist des Ostwindes, und ich bitte dich, die Suche nach ihr umgehend zu beginnen.« Er dachte an Zvatochna, an ihr schrecklich entstelltes Gesicht und die dürre Gestalt. Es kostete ihn Überwindung, seine Gedanken nicht in Abscheu abgleiten zu lassen, sondern sich allein auf Zvatochnas Äußeres zu konzentrieren. Dann langte Vahidin neben sich und nahm ein weiteres Beutelchen, schüttete den Inhalt in die glühenden Kohlen. Dicke gelbe und rote Schwaden stiegen auf und wurden gierig vom Wind umspielt. »Ich
    opfere dir dafür Kapelium, Goldstaub und Lemsanium, um dich
    gnädig zu stimmen und deine Hilfe zu erlangen.«
    Der Geist des Ostwindes fuhr durch die Rauchwolke und sog sie in sich auf. »Du hast mein Wohlwollen, Wesen«, sagte er zu Vahidin. »Ich habe die Frau gesehen und schaue, was ich für dich tun kann.« Das Ockerfarbene verschwand aus dem Raum, und als Vahidin hinausblickte, sah er es bereits in weiter Entfernung schimmern. Geister des Windes waren unglaublich schnell. Für Vahidin begann die Zeit des Wartens.
    Doch als sich die Sonnen eine nach der anderen dem Horizont zuneigten und er keine Nachricht erhalten hatte, verlor er die Geduld.
    Er wagte einen weiteren Versuch, seinen Geist vom Körper zu trennen und zu reisen. Zwar erinnerte Vahidin sich sehr genau, was beim letzten Mal geschehen war, doch er nahm sich vor, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen.
    Er gab die notwendigen Kräuter in die Glut, atmete den Rauch tief ein und konzentrierte sich, um sein Bewusstsein abzusondern und aufsteigen zu lassen. Es gelang ihm, und er ließ sich in die Höhe treiben, bis er sich genügend orientiert hatte, um sich zurechtzufinden. Dann schwebte er auf einem freundlichen Wind nach Westen, wo sich die ungeheure Begebenheit zugetragen haben sollte. Der angebliche Sieg über die Nekromantin.
    Vahidin genoss diese Art des Reisens. Vögel fühlten sich gewiss so: erhaben, unantastbar und frei ohnegleichen. Er verlor das Zeitgefühl, und wenn sich die Taggestirne nicht unablässig gen Erde geneigt hätten, wäre ihm verborgen geblieben, wie lange er bereits reiste. Die Landschaft flog unter ihm davon; für die raue Schönheit Borasgotans verschwendete er keine Aufmerksamkeit, sondern hielt den Blick nach vorn gerichtet, um mögliche Auffälligkeiten zu entdecken.
    Im trüben Dämmerlicht bemerkte er etwas: eine enorme Wolke aus flirrenden, glitzernden Lichtern, die sich wie ein Vogel-schwärm verhielt und unvermittelt die Richtung änderte, ehe sie sich zum Boden senkte Aufgeschreckt stieg sie empor und drehte
    sich dabei spiralengleich, als wolle sie sich in den

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