Fauler Zauber
von mir nahm die schreckliche Wahrheit auf, doch der Teil, der wider alle Vernunft wünscht und hofft, übernahm einfach das Kommando.
Eierkopf versuchte wieder aufzustehen. »Ich muß los, Garrett.«
»Du mußt gesund werden. Den Rest erledige ich. Mein Interesse an der ganzen Sache hat Vorrang vor deinem. Wenn du mir alles gesagt hast, was du weißt, wird Morpheus dich hier herausschaffen und hinbringen, wohin du willst. Und ich gehe auf Skalpjagd.«
Morpheus schaute mich an, sagte aber kein Wort. War auch nicht nötig.
»Und du, Morpheus Ahrm, spiel jetzt hier nicht den Klugscheißer. Du brauchst mir nicht zu sagen, daß keine Belohnung drin ist. Du würdest genau dasselbe tun, auch wenn du allen etwas anderes vorgaukelst. Los, Eierkopf. Erzähl's mir. Fang da an, wo du sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hast.«
Eierkopf war vielleicht nicht der Schnellste im Kopf, aber für seine Bedürfnisse reichte es. Außerdem ging er mit offenen Augen durch die Welt und hatte ein gutes Gedächtnis.
»Zum ersten Mal habe ich sie mit dir bei Morpheus gesehen. Ich dachte, wieso ein Hurenbock wie Morpheus oder so ein versoffener Lustmolch wie Garrett sich immer die feinsten Perlen herausfischen.«
»Er stirbt nicht«, sagte ich. »Sein perverser Sinn für Humor kehrt als erstes wieder. Kannst du dir das vorstellen? Nennt mich versoffen. Vergiß diesen Abend, Eierkopf. Wann hast du sie wiedergesehen?«
»Gestern nachmittag. Sie ist mir nach Hause gefolgt.«
Dort hatte sie ihm erzählt, daß ich ihn als Leibwächter empfohlen hätte, falls sie einen brauchte. Sie hatte an dem Abend etwas vor, war aber deswegen nervös und verängstigt. Obwohl sie davon überzeugt war, daß alles glatt laufen würde, schadete es ihrer Meinung nach nicht, für alle Fälle jemanden dabei zu haben. Nur, damit sie sich sicher fühlte. Eierkopf willigte ein, bei ihr zu bleiben, bis sie ihn nicht mehr brauchte. Dann verließ sie ihn und kam erst abends mit einem leichten, offenen Einspänner zurück.
»Hatte sie was bei sich?«
»Einen ganzen Berg Kisten mit Klamotten und Zeugs hinten in der Kutsche. Was Frauen halt so mitschleppen. Die wollte bestimmt nicht zurückkommen.«
»Hm. Hat sie verraten, was sie vorhatte?«
Bei dieser Frage zögerte er das einzige Mal mit der Antwort. Er kam zu dem Schluß, daß ich alle Informationen brauchte. »Sie hat nie gesagt, was sie vorhatte. Aber sie wollte jemanden treffen. Und nicht wiederkommen.«
»Wenn du nicht bei ihr gewesen wärst, wäre sie also spurlos verschwunden, und niemand hätte je erfahren, was tatsächlich passiert ist.« Meine Güte. Manchmal blende ich mich mit meiner Brillanz selbst.
»Ja. Soll ich weitererzählen? Oder soll ich ein Nickerchen halten, während du große Töne spuckst?«
»Eines noch, dann kannst du weiterreden. Deine Bezahlung? Wann und wie?«
»Vorkasse. Ich lasse sie alle im voraus bezahlen … Na ja, bei ihr hätte ich fast eine Ausnahme gemacht. Ich habe ihr bis auf den letzten Pfennig alles abgeknöpft, und sie hatte immer noch einen halben Taler zu wenig. Den habe ich ihr erlassen und ihr gesagt, sie könnte den Teil des Honorars behalten, damit sie nicht ohne Geld dastand. Sie meinte, das wäre kein Problem. Wenn wir am Ziel ankämen, bekäme ich den halben Taler und obendrein einen hübschen Bonus, weil ich so ein Schatz wäre.«
»Ja. Das klingt nach Eierkopf Zarth. Ein richtiges Schätzchen. Na gut. Red weiter.«
Sie waren im Zwielicht aufgebrochen, Eierkopf zu Pferd hinter der Kutsche. Er war nur leicht bewaffnet, aber das war nicht ungewöhnlich. Er verließ sich lieber auf seine Kraft und Schnelligkeit. Ich mußte ihn nicht fragen, ob jemand sie beobachtet hatte oder ihnen gefolgt war. Darauf hatte er geachtet und keinen gesehen. Sie verließen die Stadt nach Einbruch der Dunkelheit und ritten gemächlich nach Norden, ohne ihre Spuren zu verwischen, ohne zu hetzen und ohne besonders aufzupassen. Da er die meiste Zeit hinter der kleinen Kutsche ritt, redeten sie nicht viel. Doch der Mond war schon zu drei Vierteln aufgegangen und der Himmel klar. Er spürte, daß sie immer unruhiger wurde, je später es wurde. Und sie war rücksichtsvoll ihm und den Tieren gegenüber und legte mehrere Pausen ein.
Morgens gegen drei kamen sie an einen Kreuzweg in der Waldung, ein paar Meilen von dem berühmten Schlachtfeld von Lichfield entfernt, wo angeblich die Skelette der Kaiserlichen des Nachts aus ihren Gräbern steigen und den Mann suchen, der ihren
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