Faulspiel (German Edition)
noch zwei Tage Zeit, und er musste unbedingt seine innere Ruhe und Ausgeglichenheit wiederfinden.
Er saß in seinem Zimmer des vornehmen Hotels Danube City im Wiener Donauviertel. Durch das Fenster hatte er einen guten Ausblick auf das weitläufige Messe-Areal. Sein Verein hatte zwar sein Ziel, das Finale der Europameisterschaft, erreicht, jedoch konnte er darüber nicht wirklich glücklich werden. Das späte Tor und der komplette Ablauf des Spiels gegen die Türken hatten ihn sehr nachdenklich gestimmt.
Erst jetzt begriff er, wie tief der Stachel des Misstrauens saß, den Marcel Runge ihm eingepflanzt hatte.
Die Dramaturgie dieses Spiels erschien ihm so, als hätte jemand ein Drehbuch dafür geschrieben.
Die türkische Mannschaft, die zuvor zweimal ein Spiel noch in der Nachspielzeit gedreht hatte, verlor ausgerechnet jetzt durch genau solch ein Tor. Immer wieder ließ er die Szenen des Spiels vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Doch er konnte nichts finden, was sein Misstrauen bestärkte. Dennoch ließ ihn der Gedanke nicht los, dass irgendetwas an diesem Spiel nicht passte.
Die riesige Last, die Runge ihm auferlegt hatte, wog auf seinen Schultern. Auf welche Art und Weise konnte er als blutjunger Spieler dazu beitragen, diesen Sport wieder sauber zu machen?
Vor allen Dingen fragte er sich, wie er selbst das Vertrauen in den Sport und in die Sauberkeit des Fußballs zurückgewinnen sollte. Je mehr und je öfter er über alles nachdachte, was er von Runge erfahren hatte, desto mehr verlor er den Glauben daran, dass er das Richtige tat.
Er wusste zwar noch nicht alles über die Zusammenhänge der Manipulationen, allerdings hatte ihm Runge genug erzählt, sodass ganz tief in seinem Inneren die Überzeugung wuchs, diese Bürde nicht tragen zu können. Ihm ging es ausschließlich darum, Fußball zu spielen, und eigentlich wollte er mit dem Drum und Dran nicht viel zu tun haben.
Je mehr er sich damit befasste, desto mehr wurde ihm der Spaß an dem Sport genommen.
Allein der Gedanke daran, welche kriminellen Elemente sich mittlerweile auf diesem Spielfeld tummelten, machte ihm Angst. Das alles hatte mit Sport nicht mehr viel zu tun! Er fühlte sich als Spielball von Kräften, denen er nichts entgegenzusetzen hatte und denen er schutzlos ausgeliefert war.
Mit Grauen dachte er daran, ständig von Zweifeln geplagt zu sein und den Glauben daran zu verlieren, dass sein Handeln richtig sei. Er wollte und konnte nicht der Heilsbringer und Retter des Fußballs sein, und das war auch niemals seine Absicht!
Jörg Hunold hatte versucht, ihm seine Bedenken zu nehmen, jedoch brachte er auch Verständnis für sein Problem auf.
„Natürlich werden wir in unserer Rolle als Profisportler immer im Rampenlicht stehen, und es wird immer ein immenser Druck auf unseren Schultern lasten. Dieser Druck wächst ständig mehr an, solange die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen des Sports über die eigentlichen und fundamentalen Ziele gesetzt werden. Jeder Sportler kannimmer nur an sein eigenes Ehrgefühl appellieren und sollte versuchen, sich, so gut es geht, von den wirtschaftlichen Zwängen zu befreien.
Denn so lange finanzielle Interessen dem reinen Sportgedanken übergeordnet werden, müssen wir immer mit dem Zweifel leben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Spitzensportler und Weltklassespieler stehen natürlich permanent im besonderen Fokus der Öffentlichkeit und müssen daher immer besonders auf alles Acht geben, was von den Medien publik gemacht werden könnte.“
Hunold gehörte selbst zu den Verfechtern und Förderern des sauberen Sports. Er hasste und verabscheute jede Art von Manipulation und Einflussnahme. Doch auch er musste einsehen und verstehen, dass der Fußball im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Eigendynamik bekommen hatte, die kaum noch zu kontrollieren war.
Der Einfluss von Politik und wirtschaftlichen Interessen war so stark geworden, dass immer häufiger zwielichtigen Elementen Zugang zu diesem sportlichen Phänomen verschafft wurde.
Jedes große Spiel oder Turnier wurde reduziert auf ein Massenereignis, in dem das Spiel nur noch eine untergeordnete Rolle einnahm.
Hunold konnte sich mit diesen Gedanken nicht abfinden; er spielte seine eigene Rolle in dem Kampf gegen Manipulation, Korruption und Doping. Er hatte sich vorgenommen, zunächst in kleinen Schritten das Spiel wieder auf den richtigen Weg zu bringen und mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, gegen die
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