Faulspiel (German Edition)
behütet und fern von den Gefahren, denen sein Vater durch seine Arbeit ausgesetzt war, aufwachsen. Immer beschützt durch Jean Pierre und seine Anonymität.
Marcel Runge war schweren Herzens die wenigen Schritte von Jean Pierres Haus bis zum Friedhof gegangen. Die kleine Steinbank an Mias Grab hatte er extra dorthin gestellt, um die endlosen Gespräche mit seiner Frau führen zu können. Er wusste, dass Mia trotz ihres frühen Todes hier an diesem stillen und beschaulichen Ort ihre Ruhe gefunden hatte. In den letzten Jahren war er regelmäßig hier, um sie zu besuchen, und seine Gespräche mit ihr hatten ihm immer wieder die Kraft gegeben, seinen Weg weiterzugehen.
Er erzählte ihr davon, dass er seinem Ziel um einiges nähergekommen sei, und dass es nun nicht mehr sehr lange dauern könne, bis er den Großteil des kriminellen Netzwerkes aufdecken würde.
Erst als er das Thema Valerie ansprechen wollte, fehlten ihm für einige Minuten die Worte. Dennoch war er sich sicher, dass Mia ihn verstehen würde und dass sie seine Gefühle für diese Frau akzeptieren konnte. Er erzählte ihr von der Nacht in dem Hotel in Frankfurt und davon, wie Valerie sein Herz berührt hatte. Er beichtete ihr seine geheime Sehnsucht nach Wärme, Zärtlichkeit und Vertrauen, diese Gefühle, auf die er so lange verzichten musste. Nach dem Gespräch am Grab seiner Frau erfüllte ihn eine tiefe Zufriedenheit, und er spürte die Kraft, die sie ihm verliehen hatte, um die letzten Schritte bis an sein Ziel gehen zu können.
Bevor er sich wieder auf den Rückweg nach Bern machte, aßen sie noch gemeinsam zu Abend. Runge musste feststellen, dass er sich hier in Cluny immer wieder wohl fühlte. Inder Abgeschiedenheit und der Geborgenheit, die Jean Pierres Familie ihm boten. Jean Pierre begleitete ihn noch bis zu seinem Auto.
„Ich denke, wenn du die Sache zum Abschluss gebracht hast, dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir dem Jungen reinen Wein einschenken müssen. Er hat ein Recht darauf, die ganze Wahrheit zu erfahren.“
Jean Pierre sah Runge mit seinen gutmütigen braunen Augen an.
„Natürlich hat er ein Recht darauf, alles zu erfahren. Aber die Zeit dafür ist noch nicht reif. Es gibt vorher für mich noch einiges zu regeln. Das weißt du doch, oder?“
Runge stieg ins Auto und startete den Motor seines alten, treuen Begleiters.
„Pass auf dich auf, mein Freund! Du weißt, dass mit diesen Leuten nicht zu spaßen ist. Ich möchte die letzten Jahre, die wir noch haben, nicht ohne dich gehen müssen. Wenn du meine Hilfe brauchst, dann lass es mich wissen, ich werde da sein!“
Runge zwinkerte ihm durch das geöffnete Fenster zu, legte den Gang ein und fuhr los.
Die Scheinwerfer seines alten Peugeots durchschnitten die Nacht und tauchten die Fassaden der historischen Häuser Clunys in ein gespenstisches Licht.
Igor lag auf dem Rücken im Bett seines Luxusapartments in der Frankfurter Innenstadt. Er war splitternackt. Neben ihm lag die rothaarige Polin, die Ritchie ihm als Zeitvertreib geschickt hatte. Sie wischte sich gerade die Reste des Kokains von den Brüsten und aus dem Gesicht. Igor hatte sich nach der Nachricht über Abrahams Tod eine kleine private Feier gegönnt. Die Polin hieß Agneta und war seiner Meinungnach fürs Vögeln geboren worden. Nachdem sie sich eine gehörige Portion Kokain genehmigt hatten, nahm er sie in allen Stellungen und Positionen, die ihm einfielen, und Agneta machte alles mit, ohne zu murren.
So wünschte er sich die Frauen. Er konnte diese Weiber, die selbständig dachten und handelten, nicht ausstehen, die machten nur Probleme. Agneta sollte die Lücke schließen, die Valerie, diese Schlampe, hinterlassen hatte. Aber vorher wollte er noch seinen Spaß mit ihr haben und sie entsprechend vorbereiten.
Er fühlte eine unglaubliche Genugtuung darüber, dass dieser Holzkopf von Bauunternehmer genauso funktioniert hatte, wie er es geplant und vorausgesehen hatte. So ist das eben, wenn Männer ihren Schwanz nicht unter Kontrolle haben!
Seine Auftraggeber waren zufrieden mit ihm und hatten sich ausgesprochen großzügig gezeigt. Er konnte diese Russen zwar nicht besonders leiden, aber sie waren spendabel und großzügige Geschäftsleute. Zumindest so lange man sie zufrieden stellte. Das hatte er bislang immer geschafft. Alle Aufträge, die er von ihnen bekommen hatte, wurden unmittelbar erledigt, und es gab keinen Grund, irgendetwas zu beanstanden. Jetzt wollte er nur noch das Geschäft mit den
Weitere Kostenlose Bücher